Thomas Richter ist SUP-Unternehmer – mit Gespür für die Zeit. Für den richtigen Zeitpukt für eine gute Idee und für die gute Zeit zum Leben.
Du bist zu „Gründerzeiten des SUP eingestiegen und hast dein altes Business aufgegeben. Hast du da großen Reichtum gewittert?
Nee! Ich habe meine Ausbildung 1990 begonnen als die Mauer fiel, da hat mein Lehrmeister gesagt: „Schlechte Nachrichten Leute, ihr müsst eineinhalb Jahre länger lernen und werdet alle nicht übernommen.“ Da hatte ich schon ein bisschen Sorge, wie das Leben laufen wird, wenn ich keine Arbeit habe und gedacht, ich muss mir etwas eigenes einfallen lassen. Es ging auch damals nicht darum reich zu werden, es ging erstmal ums Überleben. Ich habe natürlich immer versucht, erfolgreich zu sein in dem was ich mache. Das ist wichtig für einen Kaufmann. Ich habe es immer hinbekommen, ein Unternehmen so zu leiten, dass man faire Bedingungen für die Mitarbeiter hat, seine Familie ernähren kann – und dann irgendwann auch, dass ich meine Wassersportleidenschaft zum Beruf gemacht habe und jetzt ausleben kann. Das ist für mich der größte Wert. Geld brauchen wir alle zum Leben, aber mir ging es nie um Reichtum. Zeit wäre aber schön.
Wie hast du den Übergang gemeistert?
Ich habe 2006 das erste Mal SUP wahrgenommen – mit Laird Hamilton in einem Kitesurf-Magazin. Ich bin Kitesurfer seit 2002, leidenschaftlicher Segler. Und ich bin eigentlich gelernter Konstrukteur, habe aber seit über 20 Jahren in einer ganz anderen Branche zugebracht: Event-Business, Gastronomie, Hotellerie betrieben. In großem Stil mit Events bis 15000 Leute. Das war schon eine große Firma. Nachdem ich Papa geworden bin – ich habe mittlerweile vier Kinder – habe ich gedacht, ich muss da raus. Du bist da an jedem Wochenende unterwegs, an jedem Feiertag hast du zu tun, man hat sehr viel Verantwortung für sehr viele Angestellte. So etwa 2010 habe ich gesagt “Ich möchte auch noch mal was machen, was ich wirklich leidenschaftlich gerne mache“ Also etwas mit Wassersport und Konstruieren, Entwickeln.
Steckte der gelernte Konstrukteur dahinter?
Ja, das war immer der Anreiz. Ich zeichne gerne und habe als die ersten SUPs rauskamen, gleich eigene Entwürfe gemacht. Ich habe vor zehn Jahren schon mal ein Hardboard gebaut – das wog 20 Kilo, aber es ging um den Shape. Ich habe einen Freund, der ist Weltmarktführer bei bestimmten Autoteilen, mit dem tüftel ich ganz viel. Der hat alle möglichen Ingenieure an der Hand und Computerprogramme. Wir machen auch Strömungssimulationen an den Unterwasserschiffen unserer Hardboards.
Wir machen uns sehr viele Gedanken und waren daher so ziemlich die erste Firma, die schon 2014 die gesamte Kollektion voller Boards mit spitzem Bug hatte. Die sind quasi vom Ingenieur geprüft worden. Das sind einfach alles Fachleute, mit denen ich arbeite. Ein kleines Team von weniger als 10 Leuten, aber alle leidenschaftlich dabei.
Deine Boards fielen von der Form ja auch gleich auf – der spitze, flach im Wassser liegende Bug, die Position der breitesten Stelle. Was steckt dahinter?
Wenn die breiteste Stelle hinter dem Körper und das Board nach vorne spitz ist – und man bekommt eine Welle von hinten – dann wird man ziemlich instabil. Wir haben uns lange mit Gleitern und Verdrängern beschäftigt – immer auf der Höhe deines Bauches sollte eigentlich die breiteste Stelle sein. Das gibt Stabilität. Wenn du mal auf die Kante gehst und das Board steuern willst – mit der breitesten Stelle hinter dem Körper, kannst du das gar nicht kontrollieren. Und die spitze Form war für uns von Anfang an logisch. Ich dachte schon 2013 – was wollen denn die Leute in Zukunft mit einem Paddle Board in Deutschland machen? Die Leute wollen doch in Deutschland Wasserwandern, das sind Kanuten, die umsteigen, die wollen Touringboards und die wollen ein bisschen Gepäck mitnehmen. Mit einem runden Bug vorne habe ich immer Verdrängung in dem Bereich, dann werde ich nicht schnell. Für mich war klar: Touringboards haben eine Spitze. Ich bin selber viele Touren gepaddelt – und muss man dann das Board mal eine Strecke tragen – dafür braucht man viele Griffe.
Du hast früh mit 13-Fuß-Boards angefangen.
Da waren wir die ersten. Steve Chismar hat 2014 im Magazin geschrieben, das sei das coolste was er bisher unter den Füßen hatte.
Woher kam diese Idee? Üblich waren ja eher 12‘6er?
Ich habe verschiedene Längen probiert, es gab schon einen Sportstourer 12 und ich wollte keinen 12‘6‘‘ machen, weil es kein Rennboard sein sollte (Red.: 2013 war 12‘6‘‘ eine große Rennklasse), sondern ein reines Touringboard. Und bis 1,90 Meter sollte jeder damit gut paddeln können. 14 Fuß habe ich auch mal getestet, aber 2014 waren die Dropstich-Materialien noch nicht so gut, da hattest du keine Bugwelle, sondern die Welle unter den Füßen, weil das Board da einknickte. 13 Fuß war dagegen bombensteif, der eine Fuß machte einen großen Unterschied.
Wie läuft die restliche Entwicklung? Du klebst einen Prototypen eines iSUPs ja nicht zu Hause zusammen?
Das fängt mit einer Handskizze an. Dann folgt ein dreidimensionales Computer-Modell, wir animieren einen Strömungstest mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Wenn der Shape dann einmal steht, kannst du ein Board jahrelang so produzieren. Wir haben einen aktuellen Sportstourer – natürlich mit neuen Materialien und neuem Zubehör – aber der Shape basiert auf der Form, die wir 2017 gemacht haben.
Es entsteht natürlich immer ein Prototyp und erst wenn wir uns ganz sicher sind, wählen wir den Produzenten aus. Dafür muss ich regelmäßig nach China. Uns ist es wichtig, dass wir die Hersteller vor Ort kennen lernen, die Arbeitsbedingungen dort und uns davon überzeugen können, dass es eine vernünftige Fabrik ist. Ich habe wirklich auch schon die Hölle gesehen in China. Man hat ja auch eine Verantwortung und wir wollen eine gewisse Nachhaltigkeit durch die Haltbarkeit erreichen. Langlebigkeit ist ein Ziel bei uns. Das geht nur mit ordentlichen Fabriken und den besten Materialien.
Ist das deine Gegeninitiative zu den Billiganbietern: Qualität gegen Preis?
Wenn du im deutschen Fachhandel mit Premiumprodukten überleben willst, dann geht das sicher nicht, wenn du deine Produkte billiger anbietest. Dann startet ein langsamer Prozess in dem Händler wegbrechen, die auch eine vernünftige Marge brauchen. Und wir hatten von Anfang an die Philosophie, mit Händlern zu arbeiten, die beraten können, die unsere Produkte ausstellen und verkaufen. Da geht es nicht, einen Discounter-Preis zu machen.
Wir stehen zu unseren Produkten in der Preisrange. Wir können sie nicht anders verkaufen, sonst bricht dieses ganze Netzwerk, das ja auch für den Sport wichtig ist, zusammen. Die Marken, die so arbeiten wie wir, finanzieren ja auch einen Großteil des nützlichen Content, den Paddler dann im Internet finden. Käufer müssen sich deshalb auch fragen ‘‘Was will ich denn unterstützen?‘‘ Die Premium-Marken finanzieren auch die SUP-Pioniere, die seit zehn Jahren den Sport immer wieder pushen und weiter bringen. Davon profitieren heute alle Billig-Discounter. Die Premium-Branche verkauft aber nur vielleicht zehn Prozent. 90 Prozent gehen über den Discounter. Jeder entscheidet dabei, ob ihm alles egal ist und man einfach nur eine Badeplattform sucht, oder ob man richtig paddeln lernen will. Mit einem spitzen Sportprodukt und Tipps von Profis. Und ja, da gibt es dann Ingenieure, die man bezahlen muss, Teamfahrer und es gibt neue, innovative Materialien, die vielleicht etwas mehr kosten.
Es geht uns darum, dass wir diesen Sport weiter entwickeln können. Und das können auf keinen Fall Discounter. Die haben keine Entwicklungsabteilung für SUP.
Du hast mittlerweile einen festen Standort in Berlin?
Das ist ein Showroom. Wir empfangen hier unsere Händler, mit denen wir auch Produktschulungen machen, wir können hier mit einer Studioausstattung kleine Videos drehen. Das ist mitten in Berlin auf der Insel Eiswerder. Man kann hier alles ausprobieren an einer Teststation direkt am Wasser. Die Leute wollen ja auch sehen, woher die Boards kommen. Uns kann man hier live sehen, wir arbeiten hier und einen Kaffee gibt‘s auch.
„Made in Germany“ ist – und das ist ja eher ungewöhnlich – deine Kollektion an Zubehör-Finnen, die du entwickelt hast. Wie kam es dazu?
Man könnte natürlich jemanden in Asien finden, der die Finnen günstiger herstellt. Aber wir haben uns gefragt, warum wir da ein, zwei Euro sparen müssen. So kann ich leicht in die Produktion fahren und vor Ort Details besprechen. Und ich möchte auch jemanden unterstützen, der in Bayern eine Kunststoffgießerei hat. Der arbeitet dafür auch individuell. Wenn ich für die DLRG beispielsweise 40 Finnen benötige oder 200 – dann kann der das auch in Sonderfarbe produzieren. In Asien musst du schon 2000 oder 20000 bestellen um eine eigene Farbe oder einen eigenen Shape zu bekommen. Das ist etwas teurer, aber unsere Finnen kosten etwa 25 Euro im Handel – das finde ich in Ordnung. Man kauft sich im Leben ja nicht 10 Finnen. Vielleicht eine Grasfinne oder ein Touringfinne. Die Grasfinne ist unsere meist gekaufte Finne, weil man die das ganze Jahr einsetzen kann. Es bleibt nichts hängen, wenn man mal durch die Wildnis fährt und die Finne hat trotzdem eine große Fläche.
Gibt es die Finnen für alle Systeme?
Für US-Box gibt es die leider nicht. Wir haben von Anfang an auf das Schiebesystem gesetzt, weil es einfach, schnell und ohne Werkzeug funktioniert. Ich habe nicht verstanden, warum man angefangen hat, US-Boxen einzusetzen. Aber es gibt natürlich Hersteller, die sehr stark am Markt vertreten sind, die auch stark im Windsurfen oder Surfen sind und das einheitlich haben wollten. Das ist vielleicht der Grund gewesen. Aber es tauscht zwischen den Sportarten ja niemand die Finnen. Das ist rein theoretisch.
Du machst jetzt auch SUP-Hardboards. Siehst du da einen Trend?
Den gibt es eigentlich immer schon. Der Sport musste aber zu 95 Prozent erst mal aus den Inflatable-Boards entstehen. Weil es für die Leute bequem und mobil ist. Aber es gibt natürlich auch richtige Enthusiasten, Sportler und Leute, die die Möglichkeit haben, das Board zu lagern. Die kaufen sich einmal ein Hardboard und jetzt behaupte ich einfach mal: Du kannst damit 30 Jahre paddeln, oder auch 40. Unsere Hardboards – das ist die Idee gewesen – sollten damit das Nachhaltigste sein, was wir momentan machen können. Wenn du dir nicht alle sechs Jahre ein neues Board kaufen willst – und vorausgesetzt du hast die Möglichkeit das zu lagern – dann kaufst du einmal was richtig cooles und kannst ewig damit paddeln. Das ist schon was besonderes, wenn du so ein Hardboard Touring fährst. Da ziehst du richtig ab mit so einem Teil. Aber unser Hauptgeschäft sind weiter aufblasbare Boards und hochwertige Paddel.
Wo liegt denn der kreative Spielraum bei der Entwicklung von Paddeln? Du wolltest auch mal Carbon-Rohre aus Deutschland verwenden.
Das war auch in Bayern und die Produktion der Rohre wäre überhaupt kein Problem. Aber ich habe mir ja auch die Produktion der Paddel in Asien angeschaut, das ist eine unglaubliche Arbeit. Wenn jemand so ein Carbon-Blatt sieht, mit einem schicken Sticker der jeweiligen Firma – dann kann sich niemand vorstellen, wie das eigentlich entsteht. Wie es vorher aussieht und was man dann erhält. Wenn so ein Paddel drei-, vierhundert Euro kostet, ist das absolut gerechtfertigt. Es gibt keine Maschine, die das herstellt. Das ist alles Handarbeit. Zwei Edelstahlformen, ein Schaumkern und Carbongewebe und dann wird ewig mit der Flex und Stahlbürste und Poliermaschine gearbeitet bis das Paddel so aussieht wie im Shop. Was man dabei als Konstrukteur beeinflussen kann, ist die Wicklung des Rohres. Dann das Material: Glasfaser, Kohlefaser oder auch Texalium. Ich kann die Blattform beeinflussen und dafür eine eigene Form herstellen. Bei den Verschlüssen kann man auf Standard-Bauteile zurück greifen. Dieses Jahr kommt eine neues Paddel raus mit speziellem Carbon aus Japan mit nochmaliger Gewichtsreduzierung bei gleicher Steifigkeit.
Was ist deine Einschätzung zum Wing-Trend?
Wir entwickeln jetzt seit zwei Jahren am Thema Wing und Foil-boards. Und da sagen mir Hersteller schon mal „Irgendwann Thomas, werfen wir dich raus.“ Warum? „Weil du zu Deutsch bist!“ Aber was soll ich machen? Wenn man mir Scheiße schickt, kann ich es doch dem Kunden nicht verkaufen. Wenn die Wings nach einem halben Jahr Luft verlieren, dann kann ich nicht produzieren, dann warte ich noch ein Jahr. Beim Thema Wing sind wir aktuell deshalb noch im Testmodus. Außerdem sind die guten Produktionen in Asien im Moment sehr voll. Wir sind auch einfach nicht groß genug, um da mit Ellenbogen raus zu sagen „Mach mal Platz.“ Im Moment wartet da niemand auf uns. Die sind wirklich voll, weil die großen Premiumhersteller und noch andere im Wing das Thema sehen. Und das wird auch das Thema 2021 werden. Wir bekommen aber eine Kollektion Inflatable Wingboards Ende des Jahres und Wings ebenfalls. Beim Foil verlassen wir uns auf spezialisierte Zulieferer, die sehr gute Foils machen. Da ist uns die Entwicklung zu teuer. Was wir können sind geile Boards und die Wings.
Hat der Touringboard-Spezialist auch noch einen Touren-Tipp?
Da bin ich jetzt egoistisch. Ich bin seit 2017 in Berlin. Ich komme aus Dessau und die Elbe und Mulde waren meine Hausstrecken. Aber jetzt liebe ich Berlin. Man kann theoretisch von hier bis zur Ostsee paddeln und würde durch Natur fahren wie in den Everglades. Es fehlen nur die Alligatoren. Ich war schon im Amazonas unterwegs – aber das Land von Berlin über Mecklenburg bis zur Ostsee mit seinen Seen ist ebenso einzigartig auf dieser Welt. Wir haben das größte Naturschutzgebiet von der Ostsee bis zum Thüringer Wald – so steht es im Einheitsvertrag – dort zu paddeln ist traumhaft. Wir haben eine perfekte Infrastruktur, wir haben saubere Gewässer, ich kann hier aus der Havel trinken, wir haben die höchsten Umweltrichtlinien. Das ist unser Vorteil. Wir können Teil dieser tollen Natur sein und ich kann jedem empfehlen, hier zu paddeln. Wir müssen gar nicht an den Amazons fahren.