Manuel Vogel
· 13.12.2022
Olivia Piana gewann auf dem SUP drei WM-Titel, war Teilnehmerin im Windsurf-Weltcup und holte 2021 den WM-Titel im Wingfoilen. Im Interview spricht sie über Leidensfähigkeit bei Langstreckenrennen und fehlende Gleichberechtigung im Wassersport.
Olivia Piana wuchs in der Gegend um die französische Hafenstadt Marseille auf und ist seit ihrer Kindheit aktive Wassersportlerin. Heute lebt und trainiert sie an der Atlantikküste Portugals. Wir haben Olivia zum Interview abgepasst - nach einem Langstreckenrennen im Windfoilen und vor einem 80-Kilometer-Rennen auf dem SUP. Kein Wunder, dass es viel zu erzählen gab.
Olivia, du bist offensichtlich eine Wassersport-Alleskönnerin. Welche Sportart steht heute noch bei dir auf dem Plan?
Ich bin seit einiger Zeit wieder in Frankreich unterwegs. Zuletzt war ich beim Defi Wing Rennen dabei, jetzt stehen aber einige SUP-Events an, z.B. ein Downwind-Race übers offene Meer und danach ein Langstreckenrennen über 80 Kilometer. Langweilig wird es mir also nicht.
Du hast mit Windsurfen begonnen, bist dann über SUP bis hin zum Wingfoilen also immer auf der Trendwelle gesurft. Waren das bewusste Entscheidungen oder einfach die Neugier, Neues zu entdecken?
Ich war immer offen für neue Sportarten und finde es albern, so festgefahren zu sein. Ich hatte 2010 meine Windsurfkarriere gestartet und einige World Cups mitgemacht. Aber die Windsurf-Industrie war seinerzeit nicht sonderlich stark aufgestellt und ich konnte kaum Unterstützung bekommen, um das auf einem professionellen Level zu machen. Ich war damals gerade 20 und hätte das komplette Material für die Tour kaufen müssen. Dann kam plötzlich SUP auf und ich bekam relativ schnell einen guten Deal – es gab also auch ganz pragmatische Gründe. Beim SUPen haben mich am Anfang eher die Wellen gereizt. Ich bin in Südfrankreich am Mittelmeer aufgewachsen, da gibt’s selten kraftvolle Brandung aber oft langsame, runde Dünungswellen. Dafür war das SUP wie geschaffen. Einer meiner ersten SUP World Cups fand in La Torche in der Bretagne statt. In der Wave-Wertung schaffte ich es nicht aufs Podium und nahm spontan noch beim Long-Distance-Rennen über 15 Kilometer und dem „Technical Race“ auf dem offenen Ozean teil – und gewann diese beiden Disziplinen. Das war natürlich ein riesiger Motivationsschub.
Woran lag es deiner Meinung nach, dass du beim SUPen, im Gegensatz zum Windsurfen, sofort Sponsoren finden konntest?
Einerseits war SUP natürlich ein neuer Markt und die Marken brauchten Teamrider, die mit ihren Produkten an Wettkämpfen teilnehmen und diese promoten. Andererseits war SUPen von Anfang an anders organisiert. Bei Langstreckenrennen z.B. gingen und gehen Männer und Frauen immer gemeinsam an den Start – in anderen Sportarten war das eher eine Parallelwelt, die Frauen kamen dann an der Reihe, wenn die Männerwettkämpfe fertig oder die Bedingungen zu schlecht waren. Als SUPen vor über zehn Jahren aufkam, war das eine völlig neue Community, die Leute kamen aus verschiedenen Wassersportarten, aber auch von Ausdauersportarten wie Laufsport und Triathlon. Die Vibes auf den Events waren am Anfang sehr entspannt, das hat mich begeistert. Frauen wurden von Anfang an auf Augenhöhe behandelt, das war ein gutes Gefühl. Da hieß es oft: „Es gibt gleiches Preisgeld für Männer und Frauen. Wenn dir das nicht passt, zieh’ Leine.“ Am Ende haben mich die gleichen Marken im SUP-Sport unterstützt, die mir kurz zuvor beim Windsurfen keinen Cent geben wollten (lacht).
Frauen erfahren beim SUP mehr Respekt. - Olivia Piana
Du hast im letzten Jahr auch auf der Wingfoil Tour GWA ziemlich Gas gegeben und in der Disziplin Racing den WM-Titel geholt. Kehrst du dem SUPen jetzt wie einst dem Windsurfen den Rücken und setzt voll aufs Wingsurfen?
Den WM-Titel im Wingfoilen zu gewinnen war natürlich großartig. Tatsächlich bin ich auch viel am Wingfoilen und auch immer wieder bei Events am Start. Allerdings werde ich 2022 nicht die komplette Tour mitfahren, denn ehrlich gesagt, bin ich mit der Art und Weise wie Sportlerinnen dort behandelt werden, nicht happy.
Was stört dich konkret?
Auf der Tour der GWA (Global Wingsports Association, die Red.) haben sie die Frauen schon gerne dabei. Aber man scheut sich davor, gleiche Verhältnisse und Anreize zu schaffen. Oft habe ich von männlichen Teilnehmern – deren Namen ich jetzt besser nicht nenne – gehört, dass Frauen schlechter sind als Männer, dass das Level auf den Wingfoil-Events bei den Frauen nicht hoch genug ist, und dass es deshalb okay für uns sein müsste, weniger Preisgeld zu bekommen. Der Sport ist erst ein Jahr alt! Das Einzige, was schlecht ist, ist die Denkweise dieser Leute. Auf der PWA Windsurf Tour war es seinerzeit leider ähnlich – niemand glaubte an Frauenpower.
Was muss sich ändern?
Man muss Anreize schaffen über Gleichbehandlung, dann werden automatisch auch mehr Frauen dazukommen – und das Level wird steigen. Es geht darum, Respekt zu haben vor denen, die ihr ganzes Leben einem Sport oder Lifestyle verschreiben. Letztendlich zeigt die Ungleichbehandlung auf den Events nur ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Über die Hälfte aller SUP-Neueinsteiger sind Frauen. Bei Wettkämpfen gibt’s trotzdem einen klaren Männer-Überschuss. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Ich denke dafür gibt’s viele Gründe. Es spiegelt ein gesellschaftliches Problem wieder. Gleichberechtigung wird immer wichtiger aber es gibt nach wie vor alte Rollenbilder, die weiterleben. In vielen Familien sind Frauen noch immer Diejenigen, die den Laden schmeißen, sich mehr um die Kinder kümmern, weniger Zeit für sich selbst beanspruchen und damit auch weniger Möglichkeiten haben, an Wettkämpfen teilzunehmen. Auch, dass Frauen in vielen Jobs, trotz gleicher Leistung, noch immer schlechter bezahlt werden, könnte ein Grund sein. Und vielleicht auch, dass viele Frauen es sich nicht zutrauen, im Sport erfolgreich zu sein. Ich denke es ist ein gesellschaftlicher Wandel hin zu mehr Gleichberechtigung im Gange, der aber noch nicht abgeschlossen ist. Es braucht leider noch Zeit. Deshalb ist es wichtig, dass es im Sport auch weibliche Vorbilder gibt, die den Jugendlichen vorleben, dass auch sie es schaffen können.
Du nimmst regelmäßig an Langstreckenrennen teil. Was reizt dich daran?
Das tolle an Langstreckenrennen mit dem SUP ist, dass der Athlet oder die Athletin stärker im Vordergrund steht als bei anderen Sportarten. Vor kurzen habe ich beim Defi Wing (Long-Distance-Regatta für Wingsurfer in Gruissan/Frankreich, die Red.) teilgenommen. Es war eine tolle Erfahrung mit 150 anderen Wingsurfern mehrere Rennen über 40 Kilometer zu fahren. Aber gewinnen konnte dort nur, wer das beste Material hatte. Bei 40 Knoten Wind gewinnt leider immer Derjenige, der das kleinste Foil unterm Board hat. Beim SUPen ist das anders. Das Material ist wichtig, keine Frage. Wenn du auf einer Tür paddelst, gewinnst du nicht. Aber am Ende kommt es auf die Paddeltechnik an, dein Fitness-Level und die Taktik während des Rennens. Die Sportler stehen stärker im Fokus und werden vielleicht auch deshalb mehr respektiert. Ebenfalls reizvoll ist die Race-Disziplin, weil du quasi überall trainieren kannst. Jeder See, jeder Fluss sind geeignet und das jeden Tag.
Nutzt du für die Rennen das gleiche Material wie die Männer? Oder gibt’s auch für Frauen spezielles Material?
Es gibt schon spezifisches Material. Als Frau kann man, verglichen mit den meisten Männern, ein Brett mit weniger Volumen paddeln. Außerdem sind die Paddel etwas kleiner von der Fläche, das war’s aber dann auch schon.
Acht Stunden Paddeln am Stück, danach kennst du deinen inneren Schweinehund. - Olivia Piana
Muss man masochistische Züge haben, um 80 Kilometer am Stück über Kanäle zu paddeln?
(Lacht) Vielleicht ein bisschen. Ich habe es schon als Teenager gelernt, mich auch mal zu quälen, weil ich lange auch im Triathlonbereich aktiv war – ich war z.B. mal auf Maui beim Finale der XTerra Cross-Triathlon dabei. Als ich dann zum SUPen kam, hatte ich also bereits einiges an Wissen über Trainingsmethoden. Ein 80-Kilometer-Rennen dauert so acht bis neun Stunden, da muss man schon den Schweinehund nicht nur einmal überwinden. Vor allem bei starkem Seitenwind ist es schon eine Schinderei, weil man dauerhaft auf einer Seite paddeln muss. Bei Langstreckenrennen tun die Endorphine aber ihr Übriges und man vergisst zwischenzeitlich die Anstrengung und Qualen. Am besten gefallen mir eigentlich Long-Distance-Races auf dem offenen Meer, wo man Ausdauer und das Absurfen von Dünungswellen kombinieren muss. Das ist dann doppeltes Glücksgefühl: Endorphine von der Ausdauerbelastung und Adrenalin beim Abreiten der Wellen – wow!
Wie sieht dein Training als Vorbereitung auf die Long-Distance-Rennen aus?
Natürlich paddele ich viel – aber ich versuche auch, verschiedene Sportarten unter einen Hut zu bekommen – um fit zu bleiben. Als Vorbereitung für mein 80-Kilometer-Rennen in Frankreich habe ich einen 40-Kilometer-Downwinder von Marseille nach Petit-Four gemacht. Das macht Spaß, ist aber motivierender als reines Langstreckentraining auf einem See oder Fluss.
Kann SUPen für dich noch Spaß machen oder steht immer der Wettkampf und das Ergebnis im Vordergrund?
Ich ersetze mehr und mehr die Wettkampf-Termine durch andere Sachen. Ich organisiere die She-Wings-Events für meinen Wing-Sponsor Vayu, das sind Wingsurf-Camps speziell für Frauen, das macht mir sehr viel Spaß. Auch in meiner neuen Wahlheimat Portugal biete ich ab diesem Jahr SUP- und Foil-SUP Camps an. Bezogen auf Wettkämpfe fokussiere ich mich immer stärker auf Downwind-Rennen.
Welche Events stehen auf deiner To-do-Liste und was macht Downwinder auf dem SUP für dich so attraktiv?
Ich reise z.B. bald nach Oregon/USA und nehme am Columbia River an einem großen Rennen teil. Der Fluss ist weltbekannt für seinen starken Wind, dieser baut steile Wellen auf, teilweise mit zwei Metern Höhe. Gesurft werden die Wellen mit dem Foil-SUP, also einem kurzen SUP-Board, unter dem ein Foil montiert ist. Downwinder auf dem Foil sind ein Mix aus allem, was ich am SUPen liebe: Dem Gefühl auf dem Meer zu sein, die Weite zu sehen, die Landschaft zu erleben, in Verbindung mit Ausdauersport und technischen Elementen, denn es erfordert schon Übung, um die Dünungswellen mit einem Foil-SUP anzupaddeln und zu surfen. Am besten sind 25 Knoten Wind mit entsprechendem Windswell, entlang der Küste von Marseille in Richtung Hyères. Die Gegend ist einfach so wunderschön.
Was sollte man als Hobbypaddler beachten, wenn man Downwinder auf dem SUP ausprobieren möchte?
Man sollte natürlich zuerst ohne Foil beginnen. Das Board sollte nicht zu schmal sein für den Einstieg. Eine gute Tour für den Einstieg ist so zwischen vier und acht Kilometer lang. Ideal ist ein Spot an dem der Wind sideshore, also parallel zur Küste weht, mit einer Bucht am Ende des Trips, wo man sicher anlanden kann. Ozeanswell ist schneller und damit zum Anfangen schwieriger, weil man intensiver paddeln muss, um auf die Welle zu kommen. Kleiner Windswell ist daher am Anfang eigentlich am besten, da dieser nicht so schnell ist. 20 bis 25 Knoten Rückenwind sind ideal. Wer mit einem Foil paddeln möchte, sollte zunächst hinter einem Boot üben, um die Kontrolle übers Foil zu bekommen. Erst wenn das sitzt, kann man auch die ersten Downwinder mit dem Foil-SUP angehen. Am Anfang ist ein großes Foil von Vorteil, um früh abzuheben und auch bei drucklosen Wellen lange weiterzufliegen.
Downwinder auf dem Foil vereinen alles, was ich am SUpen so liebe - Natur, Adrenalin & Kampf. - Olivia Piana
Welches Material benutzt du für deine Downwinder auf dem Foil-SUP?
Ich benutze einen schlanken Frontflügel meines Sponsors Axis, das Modell ART 999 mit einem Meter Spannweite, dazu einen 75er Mast, und eine 67 Zentimeter lange Fuselage.
Welches Sicherheitsequipment ist für Downwinder wichtig?
Natürlich ist eine Leash essentiell, damit man bei einem Sturz das Brett nicht verliert. Ich verwende eine Hüftleash, weil die Leash so nicht im Wasser bremst. Ich habe eine Prallschutzweste an, diese bietet auch noch etwas Auftrieb. Außerdem habe ich ein Handy in einer wasserdichten Hülle dabei, um im Notfall Hilfe rufen zu können. Etwas Verpflegung und einen Trinkbeutel nehme ich ebenfalls immer mit. Ganz wichtig ist es außerdem, Fehlalarme bei den Seenotrettern zu verhindern. Bei Downwindern läuft man Gefahr, dass Touristen am Strand den Notruf wählen, weil man bei stürmischem Wetter lospaddelt, aber scheinbar nicht wiederkommt. Ich melde mich deshalb bei den Lifeguards immer kurz ab. Ich hatte es mal, dass ich vom Helikopter aus gesucht wurde, obwohl ich längst zuhause auf der Couch saß – das war natürlich großer Mist.
Du hast drei WM-Titel beim SUPen gewonnen. Reizt es dich, jetzt nochmal anzugreifen, oder bist du mit dir im Reinen und lässt jetzt dem Spaß den Vorrang?
Ich habe in meiner Karriere viele Events und drei WM-Titel gewonnen und bin damit eigentlich gerade ziemlich zufrieden. Im Moment fühlt es sich so an, dass ich nicht mehr auf Teufel komm raus jedem Titel hinterherjagen muss, sondern andere Dinge in den Vordergrund stellen kann. Aber es kann durchaus sein, dass mich irgendwann wieder der Ehrgeiz packt, auch Rennen zu gewinnen. Derzeit träume ich noch davon, mich allmählich in die Big Wave Szene reinzuarbeiten. Gerne würde ich mal die Riesenwelle von Nazaré auf dem Foil surfen. Dafür muss ich aber erstmal viel Atem- und Schwimmtraining machen und lernen, auf immer kleineren Foils zu fahren, auf denen die hohen Geschwindigkeiten in großen Wellen überhaupt möglich sind.
Vielen Dank für die interessanten und abwechslungsreichen Einblicke in dein Sportlerinnenleben.
Es freut mich, wenn es dir gefallen hat.