Im Kanu- und Segelsportverein Wilhelmshaven werden aus Rollstühlen beinahe Amphibienfahrzeuge und verleihen manch einem damit Flügel. Heinz Ehlers ist treibende Kraft für inklusiven Wassersport und vom Konzept auf dem SUP überzeugt.
SUP-Rennen, große Wellen, Wildwasser – all das ist plötzlich Nebensache, wenn man mit diesen Sportlern mit Behinderung gemeinsam die wirklich wichtigen Erlebnisse beim Stand-up-Paddeln teilen kann: Die Wahrnehmung des Elements Wasser, der Natur und vor allem: Sich dabei selbstständig übers Wasser zu bewegen – was die meisten Paddler als Selbstverständlichkeit vielleicht viel zu wenig schätzen, tritt so plötzlich in den Vordergrund. Im Gespräch mit Heinz Ehlers, dem „Projektleiter für inklusiven Wassersport“ in der SUP-Abteilung des Kanu- und Segelsportverein Wilhelmshaven, klingt die Begeisterung für die gemeinsamen Paddelaktivitäten mit Menschen mit Behinderung umso stärker durch. „Das Erleben solcher Momente ist es wert, sich anzustrengen, das Projekt durchzuziehen“. Dabei meint er Momente, wenn Paddler im Rollstuhl plötzlich alleine übers Wasser paddeln, dabei vor Begeisterung jauchzen oder Paddler mit geistiger Behinderung sich aus der schützenden Gruppe auf dem Mega-SUP plötzlich ganz nach vorne auf den Bug wagen und immer weiter wollen, die Mannschaft plötzlich lautstark anfeuern, wenn sich anfängliche Angst in Begeisterung verwandelt.
Dabei ist der Weg dorthin kein einfacher. Heinz Ehlers, der im normalen Leben auf der Intensivstation eines Krankenhauses arbeitet, kennt die schwierigen Voraussetzungen. „Du kannst das nicht, du darfst das nicht, du sollst das nicht“ schildert er unsichtbare, aber häufig vorhandene Barrieren. „Da werden teilweise von Angehörigen deren eigene Ängste projiziert und vielen Menschen mit Behinderung bleibt das Terrain Wasser deshalb komplett fremd.“ Das SUP bietet nach seiner Einschätzung dabei die besten Möglichkeiten, sich behutsam und eigenständig aufs Wasser zu wagen. „Das ist für Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen nahezu jeder Art geeignet. Manche haben Angst sich hinzustellen, die können im Knien beginnen. Man kann sogar erst mal liegend kraulen.“
Nicht nur für Menschen im Rollstuhl sind dabei die speziellen Boards eine große Hilfe, sondern auch Grundvoraussetzung. „Einige haben sehr teure Rollstühle und unser Brackwasser hier ist sehr aggressiv. Da haben wir mit einem Orthopädieunternehmen einen Krankenstuhl umgebaut: Höhenverstellbar, mit Armlehnen und einen elastischen Klettgurt um den Bauch, den man schnell lösen kann. Dieser Sitz wird auf dem SUP festgeschnallt.“ Der Verein kann mittlerweile auf diverse SUPs zugreifen und auf dem Board mit Ausleger sind Menschen im Rollstuhl am Ende komplett eigenständig „on tour“. Selbstverständlich immer in Begleitung. Ausgebildete SUP-Trainer und Rettungsschwimmer sorgen für die Sicherheit.
Erste Gewöhnung ans Board findet teilweise bereits im Winter im Hallenbad statt, dann im seichten Wasser. Erst danach geht es auf das lange Drachen-SUP für vier Erwachsene, oder auf das Mega-SUP, den „Blauen Klaus“, benannt nach dem verstorbenen, ehemaligen 1. Vorsitzenden, der die Inklusion im Verein so stark voran getrieben hatte.
Um Rollstuhlfahrer in den Sitz zu laden, kann der Verein auf einen akkubetriebenen Lifter zugreifen, der – unterstützt von der „Aktion Mensch“ und einem Kranbauer aus der Nachbarschaft – speziell für diesen Zweck angeschaft wurde. Ein Aufwand, der sich lohnt.
Heinz Ehlers erzählt von dem Rollstuhlfahrer, der nach einem Unfall den früher ausgeübten Segel- und Surfsport nicht mehr betreiben kann und im Urlaub das muntere „Treiben“ der gemischten Gruppe auf dem Banter See beobachtet hatte. „Boa ich lebe wieder“ habe er gesagt, nachdem er spontan für eine Paddel-Runde aufs SUP verladen wurde – und sucht jetzt einen Verein in seiner Heimat, der so etwas ebenfalls bieten kann.
Neben dem Wiederentdecken des Wassersports eröffnet das Paddeln vielen aber überhaupt den ersten Wasser-kontakt. Und wenn sich am Ende eines Kurses ein Teilnehmer zum „Herr der Meere“ ausruft, dann hat das Element Wasser zwar keine Wunder bewirkt, aber doch etwas besonderes geweckt.
„Die Wellen, die Gischt, die Bewegungen auf dem Board“, sagt Heinz Ehlers, „das ist doch das pure Natur-erlebnis.“ Ängste nehmen, Selbstvertrauen aufbauen, das SUP erscheint dafür ideal. „Wir hatten ein Mädchen dabei, das war anfangs total ängstlich und am Ende ist sie nach vorne gestürmt, hat die Hände hoch gerissen und ‚ich will, ich will, ich will‘ gefordert. Sie wollte dann auch alleine paddeln. Da war einfach der Wunsch da, sich etwas zu beweisen, autark zu sein, etwas selbst zu machen. Das können wir hier anbieten.“
Viele Infos zu den Aktivitäten des Vereins und Anregungen – sowie eine umfangreiche Broschüre finden sich unter: www.ksw-bantersee.de
Kontakte für andere Vereine ebenfalls unter: www.ksw-bantersee.de und www.sup-whv.de