InterviewCarol Scheunemann

Interview: Carol ScheunemannFoto: Stephan Gölnitz
Interview: Carol Scheunemann

Begeisterung, Biss, Besessenheit? Carol Scheunemann lebt den SUP-Sport – als Wettkampfdisziplin – wie kaum jemand. 1976 war sie qualifiziert für die Olympischen Spiele, Disziplin Bogenschießen. 2015 fährt sie auf dem SUP in Deutschland auf der Langstrecke vorne weg und auch international auf Spitzenplätze. Ja, das darf man ruhig mal nachrechnen. Wir haben die Powerfrau zwischen zwei Trainingseinheiten für die Racesaison 2016 getroffen.

  Zwischenspurt beim internationalen Rennen am BrombachseeFoto: Stephan Gölnitz
Zwischenspurt beim internationalen Rennen am Brombachsee

Ein Wink des Schicksals? Carol Scheunemann wurde in den USA unter dem Mädchennamen "Sup" geboren. Damit war der Weg eigentlich vorgegeben, doch richtig gefunden hat sie ihn erst viel später.

2014 hast du jedes Langstreckenrennen der "German SUP Trophy" sowie die Serien Alps Trophy und SUP Tour Schweiz gewonnen. Das macht man nicht so mal eben. Wie ist denn deine sportliche Vergangenheit? Carol: Als Kind habe ich Fussball, Softball, Volleyball, Tennis, Wasserski und vor allem Bogenschießen gemacht. Da war ich in der Jugend-Nationalmannschaft und habe dann auch mit 17 die Olympianorm für 1976 geschafft. Dadurch habe ich, glaube ich, die Liebe zum Sport richtig entdeckt.

Foto: Rudi Scheunemann

Zum Wettkampfsport? Ja, zum Wettkampfsport und vor allem hatte ich damals eine phantastische Trainerin, sie ist auch als Trainerin für das US-Team nominiert worden. Die hat uns diesen Fokus beigebracht. Dass man sich beim Sport auf das Wesentliche konzentriert. Bogenschießen ist auch ein Sport, der nicht so richtig prickelnd ist für den Zuschauer, aber man muss sich sehr drauf konzentrieren, die Form ist alles. Ich habe da auch schon dreimal am Tag trainiert, auch fünf oder sechs Stunden, wenn es sein musste, um es so weit zu bringen im jungen Alter. Danach war nochmal Leichtathletik und Schwimmen, dann als ich nach Deutschland gekommen bin habe ich Fußball gespielt. Du bist in den USA aufgewachsen? Ja genau. 1984 bin ich nach Deutschland gekommen. Da habe ich erst Fußball gespielt, dann kamen die Kinder. Also habe ich mit dem Laufsport angefangen, weil das eine der wenigen Sportarten war, wo man so flexibel war. Das konnte ich trainieren wann ich wollte. Bis hin zum Marathon, insgesamt bin ich fast 20 Marathons gelaufen, einige Halbmarathons und etliche 10 km Rennen. Da kommt die Ausdauer her.

Was ist deine 10.000 Meter Bestzeit? 39:42 oder so, Marathon bei 3:10

Hattest du sportbegeisterte Eltern? Nein. Du wurdest nicht gepusht? Nein, das war meine Priorität. Zum einen für das Gefühl fit zu sein. Das war zum Teil ein Problem beim Bogenschießen. Da hatte man das Gefühl, dass man nicht viel macht. Laufen habe ich schon immer gerne gemacht.

Du sagst, die Ausdauer kommt vom Laufen, braucht man zum Paddeln nicht eher starke Arme? Richtig. Als ich 2011auf den Barcelona Marathon trainierte, bekam ich eine Achillessehnenverletzung und konnte ein dreiviertel Jahr nicht laufen. In der Zeit habe ich angefangen, ins Fitnessstudio zu gehen. Fast ein halbes Jahr habe ich richtig intensiv trainiert, wie immer (lacht), etwa fünfmal die Woche, und angefangen, Kraft aufzubauen. So kam alles zusammen. Ich hatte die Ausdauer noch, hatte Kraft aufgebaut und dann das Paddeln entdeckt.

  Internationale SUP-Gemeinde in Bayern: Etienne Stander (Südafrika) , Carol Scheunemann (USA), Dagmar Taylor (Schottland), Andy Dressler (Kanada)Foto: Rudi Scheunemann
Internationale SUP-Gemeinde in Bayern: Etienne Stander (Südafrika) , Carol Scheunemann (USA), Dagmar Taylor (Schottland), Andy Dressler (Kanada)

Wie kam das? Eine Freundin, die Dagmar Taylor, hat mich zum Ammersee rausgeschleift. Sie hatte selber gerade bei Steinlechner ein Board gekauft und ich habe dann angefangen mit einem Leihboard zu paddeln. Aber gleich drei-, viermal die Woche. Die erste SUP-Reise war dann Ende 2012 nach Venedig. Das war im Canale Grande ein Fun-Wettkampf auf Inflatables über 2 Kilometer.

Beobachtest du auch die SUP-Szene in den USA? Das ist eigentlich nicht meine Welt, mit den Wellen. Surfen kann ich nicht, das hatte ich nie gelernt. Eigentlich bin ich auch kein Wassersportler. Viele SUPer sind Wassersportler, die haben eine Liebe zum Wasser. Mit Wellen, Surfen... Du bist aber international auch gut dabei, zum Beispiel beim Lost Mills Race 2015. Ja, das hat mich selbst überrascht. ich gucke schon, was die anderen so machen, wie es sich entwickelt. Aber das Internationale geht halt sehr viel in die Welle. Da muss man surfen können. Dafür ist für mich in meinem Alter zu spät. Hier in Mitteleuropa ist es schwierig. Es gibt zwar einige Leute, die im Winter ein paar Monate auf Fuerte sind, aber es ist nichts, was du am Wochenende einfach lernen kannst und dann gut sein kannst. Ich bin Flachwasser-Spezialistin. International hätte ich keine Ambitionen, weil sich das auf den Ozeanen vor Kalifornien oder Australien abspielt.

Foto: Stephan Gölnitz

Welche Bedingungen machen dir denn dann am meisten Spaß? Flachwasser, aber mit Gegenwind. Du brauchst nicht spiegelglattes Wasser und Sonnenschein? Nein, zu heiß mag ich nicht. 10 Grad, bewölkt, bisschen Wind, das passt. Du bist auch im Sprint gut. Kommt es dir entgegen, dass die Sprints beim SUP eigentlich auch immer mindestens zwei, drei Minuten dauern? Ich mag die Sprint-Wettkämpfe auch sehr gerne. Ich glaube, dass meine Stärke nicht im Sprint liegt, aber ich bin halt besser geworden. Durch viele Rennen bin ich auch besser geworden. Was könnten Veranstalter denn noch tun, damit mehr Frauen teilnehmen? Es ist leider jetzt schon fast abschreckend. Die Leute haben ein Inflatable und sehen die Profis mit den Carbonbrettern und wie man sich da reinstürzt. Das ist fast zu viel Wettkampf. Es müsste mehr Jedermann-, Jederfrau-Charakter haben. Kürzere Rennen, aber nicht unbedingt diese Ellenbogengesellschaft wie in den Sprintrennen. Vielleicht so was einmal über den See und zurück. Vielleicht drei Kilometer oder vier. So dass man gut mit einem Inflatable fahren kann. Das Problem bei Frauen in Wettkämpfen ist, dass viele Frauen sich schon vor dem Rennen "aus dem Rennen nehmen". Die trauen sich gar nicht anzufangen. "Ich bin nicht fit genug", und, und, und... Daher gibt es beim Laufen auch reine Frauenrennen. Es müsste einfach auch eine wirklich gleichwertige Inflatable Klasse geben, weil viele auf Inflatables unterwegs sind aber sagen, "ich paddel doch nicht hinterher." Das würde keinem Spaß machen. Diese Malibu- oder Funklasse ist gut, aber es wird immer noch abgewertet, wenn es so nebenbei ist. Das muss eine eigene Veranstaltung sein, wie ein Volkslauf. Da kommen Tausende. Bei Vereinsläufen wo es um die "Besten" geht, kommen wenige. Du gibst auch SUP-Seminare. Was ist dein zentraler Tipp? Es erstaunt mich, dass eigentlich keiner Wenden kann. Wenn Leute gleich ein eigenes Board kaufen, ohne viel Einweisung, dann lernen sie das oft nicht. Sie kommen überhaupt nicht um die Kurve. SUP kann man ja in nahezu jedem Alter machen, auch leistungsorientiert. Hast du spezielle Tipps für "Frauen ab 40"? Muss man da anders trainieren, als wenn man 15 ist? Das Training ist erst mal altersunabhängig. Das wichtigste ist die Regelmäßigkeit. Das ist das A und O. Man kann nicht "mal" SUPen fahren, um fit zu werden. Um fit zu werden, muss man regelmäßig trainieren, SUP mit anderen Sportarten verbinden. SUP ist klasse für den ganzen Körper. Um gut zu fahren, braucht man fünf dinge: Man braucht Ausdauer, Kraft, Technik, Gleichgewicht und, um gut Rennen zu fahren, eine gewisse Rennpraxis. Man muss mindestens ein paar Mal die Woche Radfahren oder Laufen oder Krafttraining. Dafür braucht man Zeit. Das war es bei mir. Ich habe schon immer Sport gemacht, aber das mit SUP jetzt konnte ich nur machen, weil die Kinder schon aus dem Haus sind. Du musst hinfahren, Equipment auf- und abladen – das ist schon auch zeitintensiv. Dazu die Wochenenden, die man unterwegs ist bei den Rennen.

Wie ist denn dann der Trainingsumfang? Im Winter trainiere ich mehr als im Sommer, weil dann die ganzen Wettkämpfe sind. Aber im Grunde trainiere ich irgend etwas jeden Tag. Ich habe normalerweise sieben bis 10 Einheiten in der Woche. Meistens drei- bis viermal paddeln, dreimal laufen, dreimal Studio. Das ist für Amateursport ein großer Umfang. Decken Sponsoren das ab? Durch meine Sponsoren, Steinlechner und JP, decke ich das Material ab. Das ist schon ein großer Fortschritt, wenn man einige Tausend nicht investieren muss. Aber das ist nach wie vor ein Hobby. Ich habe dieses Jahr als Agent für SUPSKIN gearbeitet und habe so viele Leute kennen gelernt. Viele Seiteneinsteiger. Die einen kommen vom Kiten oder Windsurfen, oder das sind Berater, die zwar nicht aussteigen, sondern umsteigen und jetzt den Sport in den Vordergrund stellen. Mit SUP Stationen zum Beispiel. Sehr viele, sehr interessante Leute mit sehr interessanten Lebensläufen trifft man in der Szene. Da kann man wirklich was lernen. Und das macht sehr optimistisch für den Sport, wenn da so viele Leute dran glauben. Was hättest du aus dieser anderen Perspektive einem jungen Fahrer geraten, der ein Sponsoring sucht? Engagement ist wichtig. Man merkt den Trainingsaufwand und ob jemand mit Herz dabei ist. Es muss nicht ein Fahrer sein, der schon vorne dabei ist. Aber ich glaube, andere merken, wer hart trainiert und wer für sich was erreichen möchte. Es gibt ja nicht nur die Racer, sondern auch Abenteurer, die für viel Aufmerksamkeit sorgen. Haben die auch einen Platz neben denen, die still ihre endlosen Runden drehen? Im Grunde hätte ich auch fast ganz andere Vorbilder. Leute, die nichtunbedingt etwas Verrücktes machen, sondern Leute, die einfach sehr viel für den Sport machen. Das können einfach Kurse sein zum Beispiel. Jemand, der den Sport voran bringt. Publicity ja – aber es kann nicht jeder viel damit anfangen, wenn jemand eine Reise über Wochen macht. Selbst ich kann nicht so viel damit anfangen. Marathon beim Laufen war lang genug. So tagelang durch das ganze Land, das kann ich mir gar nicht vorstellen, und überhaupt "Grenzerfahrungen" brauche ich nicht ...ich bin eben ein Stadtkind (lacht). Du lebst in der Stadt, hast aber ein langes Raceboard, wie machst du das? Eigentlich drei, die hängen in der Garage unter der Decke. Oder es wird bei Steinlechner am See gelagert. Ist das der Tipp für Stadtmenschen? Ja, es gibt ja auch Vereine, beispielsweise Peter und Sarah Weidert lagern die Boards im Kanuverein in Hanau. SUP-Lagerplatz vermieten ist vielleicht die nächste Marktlücke. In wie weit ist dein Zeiteinsatz kompatibel mit einer Partnerschaft. Dein Mann ist Begleiter und Coach, paddelt aber nicht so viel? Er hat’s ein paar mal probiert. Er fand das gut aber er ist sehr groß und schwer. So ist er mehr Coach und Begleiter – alles was ich erreicht habe, das geht auch nur mit einem Partner, der das unterstützt und er macht mehr als nur unterstützen. Er ist auch eine große Motivation und treibt mich an, wenn ich mal keine Lust habe. Wenn der Partner oder die Partnerin das nicht mitmacht, wäre das ein Stressfaktor. Er fährt gerne, fährt gerne mit, mag Wettkämpfe und interessiert sich für Trainingsaufbau, auch wenn er selber von dem Sport nicht kommt.

Paddelst du denn auch mal eine Ausflugstour, oder ist das immer Training? Gelegentlich fahre ich eine Tour, aber meistens ist das schon Training. Ziehst du das alles allein durch, oder hast du Trainingspartner? Das ist verschieden. Meistens trainiere ich mit dem Steinlechner SUP Damen race team und momentan viel mit Armin Zeitler, der greift jetzt an. Das hilft auch, wenn man einen Trainingspartner hat. Da motiviert man sich gegenseitig. Fast mehr als eine Gruppe Man hat das fest eingeplant im Kalender. Am vergangenen Wochenende war das virtuell. Er hat dort seine Trainingseinheiten absolviert und ich habe im Grunde das gleiche gemacht, nur woanders. Ich hab gewusst, was auf dem Plan steht, dann kann man das später noch vergleichen. Man wird so zur Verantwortung gezogen. Hast du eine Vision für SUP? Ich glaube schon, dass der Sport noch ein Stück gut wächst. Die wenigsten haben es bisher ausprobiert oder sich darüber Gedanken gemacht. Ich glaube auch, weil man in Mitteleuropa sehr viel machen kann, auf dem Fluss, auf den Seen, Yoga ist möglich, in Norddeutschland auch SUP in der Welle. Der Einzelne muss sich dabei fast spezialisieren, weil die Boards für verschiedene Disziplinen auch teuer sind. Das ist vielleicht ein bisschen ein Problem. Aber man gibt auch für Mountainbiken oder Snowboarden sehr viel Geld aus. Carol, Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg und viel Spaß!

Carol Scheunemann betreibt die Seite "borntosup.de", weil sie – tatsächlich – unter dem Mädchennamen Sup geboren wurde. Du findest dort viele Tipps, ein Trainingstagebiuch und vieles mehr. Reinschauen lohnt sich!