Ein Trip von über 100 Kilometern ist schon beeindruckend genug. Peter Bartl lässt uns dazu noch an seinen ganz persönlichen Gedanken, Motivationen teilhaben. Ein Crossing statt Umrundung ist für ihn – nachvollziehbar – auf dem Wasser der logische Weg
Lago di Garda Crossing
Der Gardasee hat mich schon seit meiner Jugend fasziniert, ich habe dort Windsurfen gelernt, habe das erste Mal mit Alkohol experimentiert und habe meine ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht dort gemacht. So was prägt natürlich und neben einem herausragenden Revier für Windsportler ist der Gardasee auf alle Fälle eines der besten und vielseitigsten Trainingsreviere für Stand Up Paddler mit seiner unglaublichen Bedingungen am Wasser und am Land.
Crossing und nicht Umrundung:
Für mich persönlich ist es nicht wirklich möglich, einen See vernünftig am Wasser zu umrunden, weil man ja wohl oder übel immer etwas abkürzt und wenn man jede noch so kleine Bucht ausfahren würde, zum sprichwörtlichen "Schwammerl" mutiert. Eine Umrundung findet für mich deswegen ausschließlich am Land statt, da ich aber paddeln wollte, war dies eine nicht lösbare Aufgabe, so entschied ich mich für ein Crossing vom Nordende (Torbole) bis zum Südende (Peschiera) des Sees und wieder zurück. Der Ein- und Ausstieg sollte derselbe sein.
Ziel und Fokusierung
Mein Ziel war es, die etwas über 100 km lange Strecke bei Tageslicht zu paddeln. Nachdem ich im Winter 2015 die längste Nacht auf einem Minisee durchgepaddelt bin bei Minusgraden, drehte ich den Spieß diesmal um etwa 180 Grad, so suchte ich mir einen der größten Seen mitten im Sommer am zweitheißesten Tag der Saison mit recht anspruchsvollen wind- und Wellenbedingungen aus.
Stand Up Paddeln- von 5 Uhr 40 bis etwa 19 Uhr 20
Mit leichtem Nordwind starte ich in der Früh von Torbole weg, der Wind bläst mit etwa 10 bis 12 Knoten Richtung Süden, leichte Bumps tragen mich meinem Ziel näher, die Geschwindigkeit liegt meist deutlich über 9 km/h. Es ist schon ein besonderes Gefühl, ganz alleine hier am See zu paddeln, der See liegt zu Beginn noch im Schatten, ich bin mental gut vorbereitet auf einen heißen Tag. Ab Malcesine habe ich Bootsbegleitung, dennoch halte ich mich bis zum Umkehrpunkt vom Boot fern und kann bis Peschiera durchpaddeln. In Peschiera liege ich etwas unter 6 Stunden mit 53 km, was mich sehr positiv stimmt. Flüssigkeit wird in die Camelbags gefüllt und weiter geht es.
Die Hitze macht mir langsam zu schaffen, zudem habe ich leichten Seiten- und Gegenwind in Kombination mit einer Art Haifischbecken durch die unzähligen Motorboote, die teilweise ziemlich knapp an mir vorbei rauschen und das Wasser aufschaukeln. Meine Füße schmerzen und 2 bis 3 Fingernägel sind schon leicht blau und schmerzen vom permanenten Anpressdruck am Paddel. Kommt zu viel Druck auf die Fingerkuppe, erzeugt man eine Art Blutstau unter dem Fingernagel, was mir auch schon vom Holland Race 11 City bekannt ist.
Ein Bild habe ich noch ganz klar vor mir: Ein in die Reife gekommener Herr mit ergrautem, wallendem Haar fährt stehend in seinem aus hochwertigstem Holz gefertigten High End Motorboot mit Full Speed an mir vorbei, am Deck hinten 2 nicht in die Jahre gekommene Wassernixen sehr spärlich bekleidet wecken mich aus meiner leichten Trance, die sich mittlerweile eingestellt hat.
Erste Probleme stellen sich ein:
Nach etwa 8 Stunden paddeln geht mir langsam die Luft aus, die Kraft nimmt kontinuierlich ab trotz regelmäßiger Kohlehydratzufuhr, eine Pause ist dringend notwendig, also ab an den Rand, kurz in den Schatten gestellt bis zur Hüfte im Wasser. Gegenüber springt ein Italiener im Kreis und bläst wie wild in seine Trillerpfeife, anscheinend ist ihm nicht recht, dass ich hier in der Badezone anlege. Ich muss ihn leider ignorieren, ich schade keinem und sehe gerade keine andere Möglichkeit, woanders zu pausieren, und noch dazu ist der Hypertoniker zu weit weg, um mir nahe zu treten. Leichte Kopfschmerzen haben sich schon seit längerem eingestellt, dies ist recht normal bei extrem hohen Temperaturen. Um nicht zu überhitzen und einen Sonnenstich zu gefährden, tauche ich mein Cap alle 40 min ins Wasser ein und schütte mir Wasser über den Kopf. Mit mehreren kurzen Pausen geht es weiter Richtung Norden, der Spaß ist mittlerweile etwas in den Hintergrund getreten, durchhalten gilt. So recht und schlecht kämpfe ich mich in moderater Pace nach Malcesine, wo eine Pause geplant ist. Ein zuckerhaltiges eisgekühltes Getränk bei Windsquare In Malcesine haucht mir wieder Leben ein, somit paddle ich die restlichen 11 Kilometer mit leichtem Südwind bis Torbole, die Sonne setzt sich langsam hinter die Berge, ich kann bereits die JP-Fahnen in Torbole erkennen und komme noch im Hellen an. Ich habe es mir recht hart vorgestellt, dies war auch so.
Warum?
Ich möchte mit solchen Projekten meinen Horizont erweitern und meinem inneren Schweinehund zeigen, was möglich ist, wenn man ein klares Ziel vor Augen hat. Mir sind diese Projekte aber nicht so viel wert, dass ich mein Leben riskiere oder schwere gesundheitliche Schäden in Kauf nehme. So ist es wichtig, jederzeit klar im Kopf zu sein und auch wenn notwendig die Entscheidung zum Abbruch zu treffen. Man muss wissen, dass manchmal Durchhalten mit möglichem körperlichem Schaden leichter fällt als ein Abbruch, weil das Ego mit Versagen konfrontiert wird. Vielmehr ist wichtig, dass man sein eigenes Ego kennt und unter Kontrolle hält, es neigt nämlich zu Größenwahn mit dem Gefühl, ewig leben zu wollen, und damit aber genau das eigene Leben zu riskieren.
Nächstes Projekt
Mein nächstes Projekt führt mich an die Obere Adria, ich möchte mit Rückenwind bei starker Bora (Nordostwind) von Triest nach Venedig paddeln, das sind knapp 100 km.
Die gesamte Tour wurde von tractrac aufgezeichnet.
Zum Autor und Paddler:Peter Bartl