ErstbefahrungTara in Montenegro

Erstbefahrung: Tara in Montenegro
Erstbefahrung: Tara in Montenegro

Diesen Bericht muss man lesen: Ein International zusammengestelltes Team trifft sich in Montenegro, um den zweitgrößten Canyon, den Tara Canyon, auf SUPs zu bezwingen. Expeditions-Teilnehmer Valentin Illichmann nimmt uns mit auf eine lebendige Reportage an einen der schönsten und wildesten Flecken Europas.

Foto: Gilles Reboisson
Foto: Gilles Reboisson

Das Team :

Mario und Manuel Stecher, Zwillingsbrüder, 33 Deutschland

Valentin Illichmann, 18, Deutschland

Nicolas Fayol, 34, Frankreich

Stephan Pion, Frankreich

Gilles Reboisson, Fankreich, Fotograf und Paddler des sogenannten Safety-Kajaks

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Foto: Gilles Reboisson
Foto: Gilles Reboisson

TAG 1 Jakuba – Kolasin 3 Std. 16km Wildwasser I-II

TAG 2 Kolasin – Kaludra 7 Std. 31km Wildwasser II-III

TAG 3 Kaludra – Splavist 6 Std. 37km Wildwasser II-IV

TAG 4 Splavist – Camp Crab 8 Std. 33km Wildwasser II-III+

TAG 5 Camp Grab – Scepan Polje; Grenze in Bosnien Herzegovina 4Std. 17Km Wildwasser II-III

Foto: Gilles Reboisson

Dass das Abenteuer in Montenegro unglaublich spannend wird, ist uns allen klar. Dass aber die Anfahrt schon ein Abenteuer ist, war uns weniger klar. So stehen wir gegen späten Nachmittag an der Grenze zu Bosnien, und werden nach unseren "Greenpaper" gefragt. Hinterm Steuer sitze ich, Valentin, 18 Jahre, besitze meinen Führerschein erst seit ein paar Monaten und weiß somit definitiv, was man alles im Auto mitführen muss. Ein "Greenpaper" gehört sicher nicht zu den mitführpflichtigen Dokumenten. Nach einigen Diskussionen, Schockmomenten und der Frage: "Haben wir ein wichtiges Dokument vergessen und hört die Reise hier schon auf?", hilft uns ein Grenzer mit schlechtem Deutsch aus der Patsche. Mario gibt ihm wie verlangt 30 Euro in bar und 10 Minuten später haben wir unser "Greenpaper". Glück gehabt. Zur Aufklärung, das fehlende Dokument ist eine Bestätigung das wir über eine Offizielle Grenze eingereist. Quasi wie ein Visum nur für das Auto.

Von dort an führen uns Landstraßen oder besser gesagt Schlaglöcher mit dem Rest einer Straße drum herum in unser Base-Camp. Die zerbombten Häuser sowie das regelmässige erscheinen von Minenwarnschildern am Straßenrand lassen uns erahnen, dass wir uns in einen Teil von Europa begeben, den keiner von uns so kannte. Das Camp Grab, direkt an der Grenze ist für eine Befahrung der Tara die beste und bekannteste Unterkunft.

Am nächsten Morgen treffen wir zum ersten Mal unsere französischen Teamkollegen. Nico ein erfahrener Raftingguide und ausgesprochen guter Stand up Paddler, Stephan einer der besten Kajak Fahren der Welt und Gille, ein extrem guter Kajakfahrer und der erfahrenste im Expeditionsbereich. Nach einer kurzen Kennenlernphase funktioniert das Team bereits wie geschmiert, wir agieren zusammen als wären wir alte Freunde. Das wird sicherlich von Nutzen sein auf solch einem extremen Unternehmen.

Wir gehen die grobe Packliste zusammen durch und verstauen alles in unseren Ortlieb-Trockentaschen:

Foto: Gilles Reboisson

- Warme Wechselwäsche

- Schlafsack

- Isomatte

- Messer

- Feuerzeug

- Stirnlampe

- Schuhe

- Zeltplane

- Essen für min. 5 Tage

- Erste Hilfe

- Ersatzpaddel

- Gaskocher

- Ersatzkartusche

Als wir die fertig gepackten Taschen zum ersten Mal anheben, wechseln zwischen uns verwunderte Blicke: Es ist jedem sofort klar, das wir uns alle dasselbe fragen – was passiert wenn das etwa 80 cm breite Brett mit dem unfassbar schweren Gepäckstücken kentert. Werden wir es im Notfall, schwimmenderweise schaffen, das Board in einer Stromschnelle wieder richtig rum zu drehen und es nur so wieder manövrierfähig zu machen? Nach dem Mittagessen und dem Beladen des Hängers, macht sich Dimitri der Besitzer des Camps mit uns auf die fast vier Stunden lange Fahrt zum Einstig unserer Tour, die Quelle der Tara.

Der ungeregelte Verkehr, Schafe auf den Straßen und Überholmanöver, fast gefährlicher als die kommende Expedition waren wir schnell gewohnt. Kurz hinter dem Einstiegsort Jakuba führte die Tara dann genügend Wasser um auf die SUPs zu steigen. Manuel der für eine kurze Sitzung ins Gebüsch verschwunden war, bevor wir uns alle in die engen Trockenanzüge quetschten, kam mit einem riesen Schrecken im Gesicht zurück. Ja, er hat bereits die erste der tödlich giftigen Hornvipern enttdeckt. An keinem Ort in Europa soll es mehr giftige Schlangen geben, als im Nationalpark des Tara Canyons, der übrigens auch der tiefste Europas ist.

Foto: Gilles Reboisson

Nachdem sich Manuell beruhigt hatten, erkundigten wir uns bei Dimitri nach einem Gegengift und Verhaltensregeln. Es wäre eigentlich so einfach, das Gegengift liegt im Camp und beim einem der meist tödlichen Bisse gilt es entspannt zu bleiben und Ruhe bewahren. Na toll!

Also beginnen wir die Expedition ohne Gegengift. Unsere französischen Freunde haben nach all den Vorfällen die bereits vor dem Start der Expedition passiert sind, das Motto "le cool" erfunden! Wie oft wir uns dieses Motto wohl noch einreden werden während der kommenden Tage? Der sanft vor sich hin laufende Fluss erinnert momentan eher noch an die Isar als an eine der härtesten SUP-Expeditionen. Sanft schlängelt sich das Wasser durch ein Schotterbett. Das Gewässer an der tiefsten Stelle etwa hüfthoch. Dadurch das es so gut wie keine Gefahrenstellen gibt, die wir uns lange anschauen müssen, machen wir sehr schnell sehr viel Strecke. Was es uns erlaubt, recht früh nach einer geeigneten Campingstelle in der wilden Wildnis Montenegros zu suchen.

Auf einer flachen großen Wiese mit wilden Pferden beginnen wir, unser Camp zu errichten, das Lagerfeur ist schnell entfacht und wir stoßen mit einem guten französischen Kräuterschnaps an. Das Einschlafen fällt mir anfangs sehr schwer. Ich verarbeite die vielen Eindrücke des heutigen Tages und muss ohne Unterbrechung an Morgen denken: Was wird uns erwarten, wird alles gut gehen und hoffentlich wird keiner von einer Schlange vergiftet.

Foto: Gilles Reboisson

Heute ist eine lange Strecke an geplant. Die ersten Stromschnellen. Der Plan ist bis zu dem Eingang des Canyons zu kommen. Leider erblicken wir am Flussufer und im Gebüsch sehr viel Müll was irgendwie absurd erscheint, da wir bisher, außer im Camp und an der Grenze zu Montenegro, nur ein paar Menschen gesehen haben und sich andauernd die Frage stellt: "Wer produziert hier den Müll eigentlic?". Langsam aber sicher nimmt die Menge an Wasser im Fluss zu, die Geschwindigkeit wird schneller, die Wellen höher und das Flussbett enger.

Wie schon befürchtet ist das Gepäck auf dem Board gut zu spüren. Die Manövrierfähigkeit nimmst stark ab. So langsam tauchen die ersten engeren Stellen im Fluss auf, die noch zusätzlich durch große Felsen verblockt sind. Wir kämpfen alle, es kostet immense Kraft, zwischen den Gewalten des Flussen seine eigene Linie durchzusetzen, der Druck auf dem Paddelblatt ist unbeschreiblich. Die Felswände ragen inzwischen hunderte von Metern links und rechts empor. Das türkisblaue Wasser und die selten Bäume, die nahezu horizontal, scheinbar direkt aus dem Fels wachsen sind Atem beraubend. Die sanfteren Stellen des Stroms werden genutzt, um kurze Pausen zu machen. Untertags ernähren wir uns nur von Müsliriegeln und Trinken das Flusswasser mit einem sporadischem kleinen Filtersystem. Die Paddlerei und die eher spärliche Nahrungsaufnahme machen richtig Hoffnung darauf, so schnell wie möglich eine geeignete Stelle zum Quartieren im engen Canyon zu finden. Das Lager war dann schnell gebaut. Tatsächlich finden wir direkt am Ende unsere Tagesetappe, am Eingang zum sogenanntem "Devils Canyon" eine unglaublich schöne Stelle. Hier mündet ein kleiner Fluss in die Tara, genau auf der gegenüberliegenden Seite ein Strand aus feinem Kies.

Foto: Gilles Reboisson

Über diesem Traumstrand ragt ein hoher alter Baum, der wie ein natürliches Dach über uns wirkt. Im Team werden so langsam die Aufgaben verteilt und es kommt eine reibungslose Zusammenarbeit auf. Die Franzosen kümmern sich um die Tarps (Zeltplanen). Diese werden etwa kniehoch zwischen Bäumen gespannt, darunter liegen dann die Boards, aneinandergereiht wie ein Bettenlager. Manu und Mario sorgen dafür, dass es ein Lagerfeuer gibt, eine der gefährlichsten Aufgaben, denn das kleine trockene Geäst ist leicht mit den kleinen aber sehr giftigen Sand- und Hornviepern zu verwechseln.

Am Ufer im Canyon wimmelt es nur so von Schlangen, jeder geht seiner Aufgabe also sehr fokussiert nach und achtet besonders darauf, wo er hintritt und was er greift. Zur gleichen Zeit probiere ich mich mit dem Fliegenfischen. Von meinem SUP aus, stehend im Kehrwasser des kleinen Zuflusses, werfe ich die Angelroute unzählige Male aus, leider erfolglos. Das Wasser vor unserem Strand ist unbeschreiblich blau und klar, auch beim Angeln kam es mir manchmal so vor, als würde ich über dem Grund fliegen. Doch ein Problem konnten wir trotz dieser schönen Atmosphäre nicht vergessen, den Devils Canyon. Er war uns bekannt als die schwerste Passage des ganzen Flusses, Nico und Mario wagten sich zu Fuß einige hunderte Meter am Ufer in die Schlucht. Es dauerte nicht lange bis klar war, wo der Name des Abschnittes her kommt.

Foto: Gilles Reboisson

Es reiht sich eine tödliche Stelle nach der anderen. Die zwei Jungs stoßen also mit dieser schlechten Nachricht zu uns zurück ins Camp. Es wird einheitlich entschlossen dass der Teil zu gefährlich ist. Ein Umtragen im Canyon könnte auf Grund der steilen Felswände Tage dauern und wäre mit viel Klettern und Abseilen verbunden – also, auch nicht die richtige Lösung. Die einzige Möglichkeit die reell Sin macht, ist Fluss aufwärts zu paddeln und zwar einige harte Kilometer. Damit wir dann von der nächsten Ortschafft mit dem Auto um die gefährliche Schlucht fahren können, um dahinter die Boards wieder zu wassern. So hatten wir zu mindestens schon mal einen Plan für den kommenden Tag. Beim Essen wurde noch viel über diese Entscheidung diskutiert und Vermutungen über die Gefahren in der Schlucht thematisiert. Der Plan änderte sich trotz allem nicht. Mit dem Gedanken im Hinterkopf sich morgen früh einige Kilometer diesen reißenden Fluss nach oben zu kämpfen legen wir uns alle früh schlafen, mit großer Vorfreude auf eine erholsame Nacht. Doch plötzlich als wir uns schon alle in die Schlafsäcke verzogen hatten hörten wir Nico brüllen! Es schießen französische Schimpfwörter aus Ihm raus, als wenn es kein Morgen mehr gäbe, er springt auf schlägt alles von sich weg, das Tarp reist aus den Baumen. Das restliche Team, inzwischen hellwach, steht um Nico herum. Als wir sehen wie sie aus dem Schlafsack fällt, die giftige Hornvieper. Wir schauen uns alle gegenseitig an, Totenstille ist im Camp. Nico setzt sich komplett geschockt auf sein Brett zurück. Nach kurzer Zeit gibt er Entwarnung. Keinen Schmerz und eine Bisswunde ist auch nirgendswo sichtbar. Puh, da hat er nochmal unfassbares Glück gehabt. Für mich war klar, das Notfallzelt was ich mit dabei hatte, ein kleines 2 Personen Expeditionszelt muss zum Einsatz kommen. Schnell stand das sichere Zuhause. Während des Aufbaus kam schon die Anfrage der Stecher Twins: "Vale hast du da noch Platz für uns?" Keine Frage, der Schrecken saß tief. Die Antwort war natürlich "JA" so nächtigten wir zu dritt in einem kleinen ungefähr 1,20 Meter breitem Zelt.

Foto: Gilles Reboisson

8.30 Uhr wir sind wach, die Nacht war zwar kuschlig, wie erwarten aber nicht die Beste. Nach einem kleinen Frühstück – Müsli mit Flusswasser– machen wir uns daran, den Plan vom letzten Abend Wirklichkeit werden zu lassen. Wir paddeln einen gewaltigen Fluss gegen den Strom und zwar bis zur ersten größeren Ortschafft. Es ist die Hölle, der Schweiß sammelt sich im Trockenanzug, die Motivation ist am Boden. Nach mehreren Stunden teils Paddeln, teils die circa 40 Kilogramm schweren Boards durchs Unterholz ziehend, treffen wir endlich auf einen Weg. Mirco, eine Legende der Tara wartet mit seinem alten Bus an der Straße. Er ist sowas wie das Urgestein des Flusses, schon bei den Recherchen in Deutschland fanden wir im Internet einige Geschichten über ihn und den Fluss.

Der inzwischen ältere Mann weiß genau, wo man nach dem Devils Canyon wieder in das blaue Wasser einsteigen kann. Sein alter Transit schlängelt sich über schmale Schotterstraßen gute sechs Kilometer die Schlucht entlang. Dauernd setzt das Auto auf, aber Miro, typisch im "Montengro-Style" sitzt hinterm Lenkrad, ein Arm aus dem Fenster und eine dicke selbstgedrehte Zigarette im Mund. Kurz bevor wir los paddeln wollen, treffen wir erstmalig einen dieser berühmt berüchtigten Ranger an. Es läuft alles recht unkompliziert. Die Jungs wollen nur ihr Geld haben und es gibt sogar eine Quittung. Nach allen Umständen des Morgens steht die Crew gegen Mittag wieder stolz auf den Boards, das alltägliche Fahrgefühl ist schnell wieder hergestellt. Das schwere Gewicht auf den Boards gehört immer mehr zum Alltag. Es fällt inzwischen auch leichter im unglaublichen Druck des Wassers seinen eigenen Willen durchzusetzten und nicht nur dahingetrieben zu werden wo einen der Fluss gerne hätte. Die Zeit verstreicht schnell, der Adrenalinpegel ist ständig auf Anschlag.

Foto: Gilles Reboisson

Eine Stromschnelle nach der anderen wird mit zunehmender Sicherheit gemeistert. Wirklich schön zu sehen, wie sich das ganze Team so ziemlich auf dem selben Level siedelt. Nico und Stephan, die ja auch erfahren Kajaker sind, machen einen sehr sichern Eindruck, da sie genau erkennen, wie sich das Brett in der nächsten Welle verhalten wird, die Stecher-Twins lassen sich nicht lumpen sondern nutzen ihr Kraft aus und Stabilisieren sich mit starken Paddelschlägen während ich auf einen geduckten Stand und meine flinken Reaktionen vertraue. So hat jeder seine eigene Technik die aber alle funktionieren. Zum Abend hin werden die Stromschnellen so schwer das wir uns alle einig sind: Das ist das schwerste Wildwasser das bisher in Europa mit dem SUP befahren wurde. Eine Schlüsselstelle, nahezu unbeschreiblich, die Wassermassen dröhnen im Canyon. Der Fluss ist super eng, das Wasser beschleunigt dadurch sehr stark, am Ende des Getöse einer mannshohen Walze, die so aussieht, als würde sie alles verschlingen, was in sie reinkommt. So ist es auch, Mario ist der erste, der an der Walze scheitert. Nico schießt gefühlte drei Meter durch die Luft als die Walze sein Brett abrupt abbremst, zum Glück nichts passiert. Manuel und ich beschließen, dieses Stück zu umtragen, da uns beiden ein sicheres Ankommen wichtiger, ist als diese eine Stelle zu stehen. Stephan der Kameramann, will es noch probieren. Er fährt mit einer anderen Linie an, ganz nah am Fels, nicht direkt auf die Walze zu, er will die Welle quasi schneiden und nicht hindurch fahren und welch ein Wunder – er schafft es. Er hat als einziger diese heftige Stelle gemeistert.

In dem immer steiler werdendem Gelände ist es sehr schwer, geeignete Campingstellen zu finden. Als wir dann doch eine kleine Sandbank gefunden haben, machen wir uns wieder an den Aufbau unsere Planen. Der heutige Lagerplatz ist leider nicht ganz so perfekt wie der gestrige. Die Kiesbank ist leicht mit Wasser überspült. Jeder ist also auf der Suche nach vier etwa gleichgroßen Steinen um ein "Gestell" für sein Brett zu bauen. Der Plan ist es, die Steine ähnlich wie Bettpfosten zu platzieren und dann das iSUP auf die Steine zu legen, damit die unzähligen kleinen Rinnsale unter uns durchspülen und nicht den Schlafsack nass machen. Keine schlechte Idee eigentlich, sie lässt sich gut umsetzten, schützt vor dem Wasser und vor den Schlangen, die auch auf dieser Uferstelle wieder fleißig vertreten sind.

Foto: Gilles Reboisson

Der Tage starte wie üblich mit Sonnenschein, eigentlich ein Wunder da man die Region um die Tara herum, dem Durmitor National Park, auch als "Tear of Europe" bezeichnet. Es handelt sich um die Regenreichste Region in Europa. Zu unserem Glück das wir davon noch nichts mitbekommen. Die Tara schlängelt sich jetzt durch die Stellen die man naturmässig als Weltwunder bezeichnen könnte. Die grün bewachsenen Felswände ragen tausend Meter empor. Es sprudeln kalte, klare Wasserfälle einfach so aus der Wand und plätschern direkt in das Blau des Flusses. Unter ihnen hinduch zu paddeln, den Mund aufzuhalten und das klare Felsgefilterte Wasser zu trinken, ist super Energie spendend. Allgemein strahlt die ganze Natur hier eine wirklich spürbare ruhige Energie aus. Hier wachsen Gänseblümchen so groß wie Untertassen einfach so aus dem Fels, Lianen hängen von vermoosten Baumen zu uns herunter. Alles erscheint so unwirklich schön. Die Stromschnellen werden immer schwerer und vor allem länger, teilweise fast einen Kilometer. Das Paddeln hier geht deswegen sehr stark auf die Beine, die Oberschenkel brennen nach einem so langen Abschnitt wie die Hölle. Sehr angenehm ist dagegen der Abschnitt zwischen den Stromschnellen, das Wasser fließt hier schnell aber ist sehr Glatt.

Foto: Gilles Reboisson

Meistens sitzen wir hier sogar auf unseren Boards und schauen nach oben, nach oben in die Natur über uns. Die Felswände sind teilweise so steil, dass es aussieht, als würden sie überhängend sein und die Schlucht wirkt dann nach oben hin enger als unten am Fluss. Natürlich denkt man bei all dieser Schönheit auch an die Kehrseite. Was ist wenn sich jemand verletzt, vor und hinter uns nicht umtragbare Stromschnellen, links und rechts tausend Meter glatter Fels. Am besten nicht darüber nachdenken, sondern sich auf das hier und jetzt konzentrieren, eine sehr bewährte Methode wie wir alle finden. Heute läuft alles wie geschmiert, wir sind im "flow" wie man unter Sportlern sagt. Bei einer etwas längeren Pause an Land stellen wir fest, dass wir gar nicht so weit vom Camp entfernt sind. Kurz wird die Lage besprochen, alle geben das Ok das sie noch fit genug sind, um die letzten paar Kilometer zu unserem Base Camp weiter zu paddeln. Es wird also nicht nach einer geeigneten Stelle zum nächtigen Ausschau gehalten, sondern der Fokus erhöht, letzte Kräfte gesammelt und Gas gegeben. Es dauert nicht mehr lange bis es dunkel wird, was fatal wäre. Der Flow stimmt ungemein, wir reiten Rodeo auf den letzten und härtersten Stromschnellen der Tara. Ein Glück das wir inzwischen so gut eingefahren sind und die Kommunikation so gut ist. Mit lauten Pfiffen und Handzeichen werden über hunderte Meter weite Distanzen schnelle Diskussionen geführt und besprochen wo die Gefahren liegen, welche Linie gefahren wird, wer den ersten macht und wer absichert. Wenn was wie am Schnürchen lief, dann diese Kommunikation, sie ist unglaublich. Dadurch dass wir so viel Zeit beim "Scouten" (das Begutachten von schweren Stromschnellen) der schweren Teile sparen, kommen wir pünktlich ein paar Minuten nachdem die Sonne hinter den Felswänden verschwunden war, ins Ziel, ins Basecamp.

Die Erstbefahrung der gesammten Tara ist vollbracht. Ohne Verletzungen, in einem Tag weniger als geplant und das Ganze auch noch auf Stand-up-Paddleboards. Das muss gefeiert werden, finden wir, die Mitarbeiter und Gäste des Camps. Es dauert nicht lange, bis wir nach vier Tagen ohne Duschen ohne richtiges Bett, frisch geduscht beim Abendessen sitzen und den Tag mit selbstgebrannten Slivoviz und Braten ein Ende geben.

Nach einer unfassbar wohltuenden Nacht und einem großen Frühstück fällt der Beschluss, dass wir den letzten Teil der Tara auch noch befahren. Ungefähr noch 17 Kilometer bis zur Bosnischen Grenze, das Stück gilt als Spielerei. Es ist ein netter Abschluss zusammen mit dem Team einfach ohne jeglichen Druck den letzten Teil zu fahren. Wir fühlen uns alle frei, und dankbar dass wir in dieser Natur unterwegs sein durften. Kurz vor der Grenze liegt der Strom im Nebel, ein Gewitter zieht auf. Begleitet von sehr ungemütlichem Wetter und starken Regen sind wir froh das es jetzt nach der netten Strecke mit dem Jeep zurück ins Camp geht und nicht auf die nächste Schlangen-verpestete Schotterbank. Das momentane Wetter gibt auch gut dem Namen "Tears of Europe" alle Ehre.

Dicke Regenvorhänge begleiten uns auf der Abfahrt nach München. Man merkt, jeder von uns hat das Gefühl im Bauch "Wir haben es geschafft, Tara!"

Danke an alle Sponsoren, ohne die das Projekt nie möglich gewesen wäre:

Ortlieb

Fanatic

Starboard

JP-Australia

Innosnack

Munich SUP.com

Altitude Eyewear

NRS

WRSI

GrabCamp Ethno Village

LowaPro

Foto: Gilles Reboisson

Autor Valentin Illichmann