Vier Abenteurer – Andy Dressler, Florian Widy und die Stecher-Brüder Manuel und Mario – erpaddeln 24 Bergseen in Tirol und Bayern in nur drei Tagen. Die Seen haben sie per Mountainbike und zu Fuß erreicht. Jeder einzelne musste zudem insgesamt 120.000 Hübe pumpen – iSUP’s blasen sich ja nicht von alleine auf.
"Was für eine bescheuerte Idee", dachte ich mir noch am Vortag in unserem Appartement in Reutte in Tirol, von wo aus unsere Tour Bike’n’SUP starten sollte. "Wie zum Teufel soll ich all diesen Kram samt Brett und Paddel in meinem Rucksack unterbringen?" Wechselklamotten, Energieriegel, Erste-Hilfe-Set – und dazu eben noch das iSUP, das den meisten Platz einnimmt. "Einmal zur Probe packen hätte auch nicht geschadet", murmelte ich, als ich feststellte, dass ich fast ein Drittel der Sachen im Auto zurücklassen musste. Als wir unsere Rucksäcke abends dann alle zum ersten Mal aufsetzten, fielen wir beinahe rückwärts um und mussten über unser Vorhaben lauthals lachen! Im selben Atemzug öffneten wir ein Bierchen, um die dreitägige Route noch einmal in Ruhe durchzugehen …
Am nächsten Morgen – früh, sehr früh – hing der Nebel tief. Doch als wir den ersten See erreichten, lichtete sich die Wattepracht. Die ersten Sonnenstrahlen tauchten das Wasser und das gelbe Herbstlaub in atemberaubendes Licht und Tausende Farben. Besser hätte das Timing nicht sein können! Am Heiterwanger See bei Reutte zeigte sich der Herbst dann von seiner schönsten Seite. Es war, als ob wir mit jedem Paddelzug den Nebel zur Seite schieben würden, während die Sonne den See langsam in ein tiefes Blau färbte. Ich kann mich noch genau an den schwierigsten Teil der Tour erinnern! Der Aufstieg war so extrem steil, dass wir die Fahrräder nahezu eine Stunde lang schultern mussten! Auf der feuchten Erde des Nordhangs rutschten wir mehrmals ab und hatten mit unseren Bike-Schuhen auf dem schmalen Wanderpfad nur wenig Halt. Der Schweiß floss in Strömen und wir waren schon zu Beginn der Tour am absoluten Limit angelangt! Wir fluchten und schrien, feuerten uns damit aber auch gegenseitig an. Die Belohnung folgte: die gigantische Aussicht auf den Eibsee mit der Zugspitze im Hintergrund. Die Schönheit der Natur an perfekten Herbsttagen in den Bergen ließ uns über so manche Qual hinwegsehen. Wir waren so abgelenkt durch die spektakuläre Aussicht, dass wir oft gar nicht mehr merkten, wie anstrengend unsere Tour eigentlich war.
Wir mussten das Radfahren quasi neu erlernen: Die Rucksäcke auf unseren Rücken waren so schwer, dass die schmalen Trails, die sonst einfach zu befahren sind, nun zur Herausforderung wurden. Ständig rutschten wir mit den Reifen auf nassen Wurzeln und Steinen ab und mussten das 20-Kilo-Gepäck immer wieder ausbalancieren. Letztlich hatten wir jedoch zum Glück nur zwei Stürze sowie zwei Radpannen. Am Blindsee verloren sich kurz die Wege unseres Teams: Nahezu apathisch wirkte Andy Dressler am Ende von Tag eins. Mein Bruder Mario und Andy waren zu diesem Zeitpunkt schon stark erschöpft. Andy war in seinem "Sportmodus" fast nicht mehr ansprechbar und bog kurzerhand vor unseren Augen ohne Reaktion und trotz unserer Zurufe falsch ab. Er blieb 30 Minuten verschollen. Wir paddelten den Blindsee – der Name passte perfekt zu unserem Kollegen – also zunächst alleine. Einige Minuten später fand der ermüdete Andy jedoch wieder zu uns zurück und ließ sich den Blindsee nicht entgehen.
Nach einem harten Aufstieg über 900 Höhenmeter ging es am nächsten Tag bei Temperaturen um den Gefrierpunkt von Ehrwald in das Mieminger Gebirge zu den Hochgebirgsseen. Erneut mussten wir eineinhalb Stunden Aufstieg mit dem Fahrrad bewältigen. Als wir dann am Seebensee auf 1.657 Metern ankamen, bot sich uns eine grandiose Landschaft. Während die Sonne aufging und die Zugspitze in Szene setzte, spiegelte sich das Wettersteingebirge in der absolut glatten Wasserfläche. Die Höhepunkte des zweiten Tourtags waren Seebensee und Drachensee unterhalb der Coburger Hütte. Beide Hochgebirgsseen bestechen mit einer atemberaubenden Kulisse vor massiven Felswänden. Das Sonnenlicht tauchte die Seen in türkisblau. Das Paddeln wirkte fast surreal! Jegliche Anstrengung war hier oben sofort vergessen. Und plötzlich ergab diese ganze Expedition einen Sinn. Wir waren alle super glücklich, vollgepumpt mit Energieriegeln und Glückshormonen, berauscht vom Leben und unserer Umwelt.
Der letzte Tourtag begann dann regnerisch. Das Wetter war trüb und es warteten die letzten Bergseen mit Umrundung der Schöttelkarspitze. Nach einem schier endlos langen und extrem steilen Aufstieg bis zur Fischbachalm auf 1.462 Meter stellten wir die Bikes am Materiallift ab und wanderten los – der Aufstieg zum Soiernhaus auf 1.622 Meter ist mit dem Mountainbike unmöglich. Als wir die beiden Soiernseen erreichten, klarte es auf. Ich reimte mir im Wahn dieses intensiven Erlebnisses ein Gedicht:
"Die Szenerie wie gemalt. Jeder Paddelzug ein frohgemutes Weiterschreiten. Wildnis, so weit die Sonne strahlt - Im Einklang mit der Natur und dabei lautlos übers Wasser gleiten."
Bei der Rückfahrt nach Krün wurden die Bremsen unserer Bikes unter dem Gewicht so stark belastet, dass die Scheiben zu Glühen anfingen. Alles roch verbrannt! Bei Andy, der mit V-Brakes unterwegs war, wurde die Felge sogar so heiß, dass der Schlauch schmolz und wir eine kurze Pause zur Pannenbehebung einlegen mussten. Von da an ging es weiter talwärts über den Walchensee bis zum Ziel am Kochelsee.
Eigentlich sollte die Tour bis Murnau gehen. Doch wir hatten bereits 24 Seen in der Tasche – mehr als geplant. Das reichte. Mein Bruder Mario konnte wegen eines komplizierten Beinbruchs, den er sich 2012 zugezogen hatte, an der Tour nur mit einem speziellen Beinprotektor teilnehmen. Trotzdem plagten ihn so starke Schmerzen, dass er an den ersten zwei Tagen oft kurz davor war, die Expedition abzubrechen. Letztlich kämpfte er sich jedoch durch und wir motivierten uns stets gegenseitig, weiterzumachen. Am Ende der Bike’n’SUP-Tour hatte mein Bruder dann weniger Probleme mit dem alten Bruch, als mit einem neuen Leiden: Er holte sich am Ende der Expedition eine Sehnenscheidenentzündung. Kein Wunder, nach drei super anstrengenden Tagen mit 205 Kilometern, 4.100 Höhenmetern, 33 Stunden im Sattel – oder beim Holmziehen auf 24 bepaddelten Seen, für die wir uns je ein halbe Stunde Zeit ließen. Die Highlights lagen hinter uns, die Muskeln schmerzten allen. Aber es hat sich gelohnt!
INFO ZUR BERGSEEN-TOUR
• Etappe 1 ( 77 Km; 1.600 Hm; 12,5 Stunden on track; 9 Seen)
Von Reutte in Tirol wurden zunächst die ersten vier Bergseen angesteuert. Mit 20 Kilo Gepäck und dem Mountainbike ging es von Griesen über den Miesingberg in Richtung Eibsee. Die Steigung war so extrem, dass die Sportler gezwungen waren, zusätzlich zu ihrem Gepäck das eigene Rad zu schultern. Vom Eibsee ging es mit der zweiten Auffahrt weiter über die Hochthörlehütte, bergab zur Zugspitzbahn und weiter nach Lermoos. Von dort immer in Richtung Fernpass für die letzten drei Seen des ersten Tages. Nach 12,5 Stunden im Sattel und zu Wasser wurde der erste Tag mit der Bepaddelung des Weißensees, der bereits in kompletter Dunkelheit lag, abgeschlossen. Mit Stirnlampen ging es zurück nach Ehrwald in die Pension – und zum wohlverdienten Abendessen.
• Etappe 2 (78 Km; 1.200 Hm; 12 Stunden on track; 10 Seen)
Um sieben Uhr morgens startete das Team von Ehrwald aus – bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Nebel und erster Frost hielten sich zäh, und die Sportler kämpften mit dem langen Anstieg von Ehrwald bis zum Seebensee und von dort auf die Coburger Hütte auf 1.917 Metern. An einem Stück ging es 900 Höhenmeter bergauf. Die aufgehende Sonne setzte die grandiose Aussicht vom Seebensee auf die Zugspitze in Szene. Mit dem Drachensee unterhalb der Coburger Hütte bepaddelte das Team seinen höchstgelegenen See auf 1.874 Metern. Den Rest des Tages ging es fast ausschließlich bergab. Das Ziel für den Samstag war eine Unterkunft in Krün.
• Etappe 3 (50 Km; 1.300 Hm; 8 Stunden on track; 5 Seen)
Der letzte Expeditionstag begann regnerisch. Nach einem endlos langen und extrem steilen Aufstieg erreichte das Team die Fischbachalm auf 1.462 Metern. Dort wurden die Bikes abgestellt und die Bretter bis zum Soiernhaus auf 1.622 Metern geschultert. Bei der Rückfahrt nach Krün wurden die Bremsen unter dem Gewicht so stark belastet, dass die Scheibenbremsen sogar zu Glühen anfingen. Von dort aus ging es weiter talwärts über den Walchensee bis zur Endstation am Kochelsee.