Ohren-ProblemeSo entsteht “Surfer’s Ear”, so schützt man sich

Stephan Gölnitz

 · 04.12.2022

Ohren-Probleme: So entsteht “Surfer’s Ear”, so schützt man sichFoto: Tobias Holzner
Kalter Wind und kaltes Wasser können nach vielen Jahren zu Ohren-Problemen führen.

Wenn alles nichts hilft – wenn nach dem Schwimmen, Tauchen oder ein paar Waschgängen beim Welle paddeln auch mit Hüpfen und Kopfschütteln das Wasser einfach nicht aus dem Ohr will, dann könnte das ein Anzeichen für „Surfer’s Ear” sein. Eine mögliche, langfristige Folge von Wassersport im kalten Wind oder Wasser, die man aber verhindern kann.

Das „Surfer’s Ear“ verdankt seinen Namen einem Problem, das verstärkt bei Surfern und Wellenreitern auftritt, von dem aber auch Stand-Up-Paddler betroffen sein können. Deshalb sind folgende Tipps, die unser Schwestermagazin surf zusammengestellt hat, auch für viele SUPer interessant.

Was ist das “Surfer’s Ear”?

Eine Gehörgangsverengung durch unnormales Knochenwachstum im Gehörgang.

Wer bekommt es?

Vor allem Personen, die über Jahre Wassersport in kaltem Wasser/kaltem Wind betreiben, sind gefährdet.

Wie kann man sich vor einem “Surfer’s Ear” schützen?

Warm halten (Haube) oder Wasseraustausch verringern (Ohrstöpsel).

Was sind die Folgen?

Wasser läuft schlechter heraus, das Entzündungsrisiko steigt dadurch. In extremen Fällen kann das Hörvermögen merklich abnehmen.

Beim “Surfer’s Ear” entstehen knöcherne Verengungen im Hörgang, die den Abfluss des Wasser behindern. Foto: Archiv
Beim “Surfer’s Ear” entstehen knöcherne Verengungen im Hörgang, die den Abfluss des Wasser behindern.

In Kapstadt wird immer donnerstags gebohrt. Wenn der Spezialist aus Durban anreist, stehen die Wellenreiter Schlange. Sollte dir dort am Melkbos Strand oder Sunset Beach ein Surfer belanglos erzählen „letztes Jahr hab ich die Ohren machen lassen“, meint er weder eine Hubraumerweiterung seiner Freundin noch Segelohren. „Surfer’s Ear“ ist bei Kaltwasser-Wellenreitern so verbreitet wie „Ellenbogen“ bei Tennisspielern. Bei der Recherche landet man sofort bei HNO-Spezialisten an der US-Westküste – ebenfalls ein beliebtes Kaltwasser-Surferparadies.

Doch auch Stand-Up-Paddler, Windsurfer und andere Wassersportler sind davon betroffen, die erste Generation, die über Jahre häufig und auch ohne Kopfschutz bei kaltem Winterwetter unterwegs war, erkennt der Ohrenarzt sofort. Der kurze, stolze Moment, wenn man die Frage vom Doc „Sind Sie Schwimmer“ mit „Nein, ich bin SURFER!“ kontert, wird schnell abgelöst von der Erkenntnis, dass man ein richtiges Problem hat oder bekommen könnte. Dabei ist der Verlauf nicht zwangsläufig.

Swimmer’s Ear vs. Surfer’s Ear

Zwei Phänomene, die nicht immer einheitlich zugeordnet werden, muss man bei Ohrenproblemen unterscheiden. Als „Swimmer’s Ear“ wird mal auch die langfristige, knöcherne Veränderung im Ohr bezeichnet, meist ist aber lediglich die akute Entzündung des äußeren Gehörgangs gemeint. Das kann jedem passieren, wenn Badekeime durch die angreifbare, dünne Haut im Gehörgang eindringen. Man muss vom englischen Gesundheitssystem nicht begeistert sein, der von dort ausgeliehene Merksatz „nichts gehört ins Ohr, was kleiner ist als ein Ellenbogen“, ist zumindest prägnant, denn auch mit Wattestäbchen kann man bereits die Haut beschädigen und angreifbar machen.

Als „Surfer’s Ear“ wird gegenüber dem „Swimmer’s Ear“ nahezu ausnahmslos immer die langfristige Verengung im Ohr durch unnatürliches Knochenwachstum im Gehörgang (siehe Interview unten) bezeichnet. Die Folgen davon sind leider häufigere Entzündungen, weil öfter und länger Wasser im Ohr bleibt – mit dem Risiko, die von jeder Gehörgangsentzündung ausgehen: Ausweitung aufs Mittelohr, schlimmstenfalls bis zum Innenohr. In diesem, allerdings sehr seltenen Fall, sind dauerhafte Schädigungen mit Tinitus und Hörminderung möglich, eine Entzündung des Ohres sollte deshalb möglichst immer medizinisch betreut werden, damit nicht aus einem äußeren Ohrschmerz eine größere Baustelle wird. Vorbeugen ist grundsätzlich allerdings auch beim Phänomen „Surfer’s Ear“ besser als Heilen.

Die besten Mittel gegen das “Surfer’s Ear”

Lukas „Luky“ Weber, jahrzehntelanger Kapstadt-Wintergast, schwört auf „Swim Ear Cleanser“, eine Lösung, die nach dem Surfen ins Ohr geträufet wird und das Entleeren vom Wasser erleichtert. Der unter „Surfer’s Ear“ Leidende verhindert so weitere Folgen: „Seitdem ich das benutze, habe ich eigentlich keine Probleme mehr, vorher hatte ich ständig Ohrenentzündungen“.

Thomas Ortmann, der vielleicht bekannteste und radikalste Haubensurfer in Südafrikas Wellen, trägt bei 28 Grad Luft und 15 Grad Wasser die Haube „hauptsächlich als Sonnenschutz“, doch mit dem „Surfer’s Ear“ hatte er ebenfalls zu kämpfen: „Ich trage seit fast acht Jahren Ohrenstöpsel aus der Apotheke, die haben drei kleine Membranen, weil der Arzt damals ‚Surfer’s Ear‘ bei mir diagnostiziert hatte. 70 % links und 60 % rechts. Doch seitdem hat es fast aufgehört, ich habe nur ab und zu die Ohren etwas entzündet. Es (Red. das Knochenwachstum) hört auf, wenn du Stöpsel trägst. Ich hatte auch mal Stöpsel, mit denen man noch hören kann, die habe ich aber wieder verloren“.

Die Luxusvariante leistet sich dabei nicht jeder, weiß Tom: „Viele südafrikanische Surfer machen einfach Prestik in die Ohren, das ist so ein klebendes Zeugs mit dem man Sachen an der Wand festkleben kann, das macht das Ohr komplett dicht. Aber ich weiß nicht, ob das so gesund ist. Andere lassen sich Stöpsel für die Ohren maßanfertigen, doch ich bin eigentlich happy mit den ganz einfachen Teilen aus der Apotheke.“

Tipp der Ärzte

Es werden immer wieder verschiedene Öle empfohlen, von „Ballistol“, ein hochreines Waffenöl, bis zu medizinischen Olivenölen, wie beispielsweise „Earol“ oder „Auridrop“, die man in der Apotheke erhält. Damit wird die Haut im Ohr gepflegt und geschützt, wenn es bereits eng geworden ist. „Trockenföhnen“ zielt als Tipp in die ähn­liche Richtung – es soll vermieden werden, dass nach dem Surfen noch lange Wasser im Ohr verbleibt und mögliche Badekeime loslegen können.

Gegen die langfristige Wucherung hilft nur Schutz vor der Kälte, mit Haube oder Stöpseln, die einen regen Kaltwassereinbruch verhindern. Zwei unterschiedliche Stöpselvarianten haben wir ausprobiert:

  • Die „Surfears“ überzeugen mit sicherem Halt und vor allem dadurch, dass man damit wirklich noch ordentlich hören kann. Eine wasserdichte Membran lässt Töne durch, am Strand kann man sich gut verständigen, beim Surfen beeinträchtigen die Stöpsel nur wenig. Infos: surfears.com
  • Die Ohrstöpsel von „Three Waves“ sind eine Silikonmischung zum Selberformen, es entstehen sehr angenehm zu tragende, maßgefertigte Stöpsel, die allerdings das Hörvermögen stark dämpfen. Infos: threewaves.de

Weitere Produkte probieren wir derzeit aus, an dieser Stelle zeigen wir euch nach Abschluss der Testphase die Ergebnisse!


Experten-Interview: Prof. Dr. Peter R. Issing

Facharzt für HNO-Heilkunde, Leiter HNO am Klinikum Bad Hersfeld

Herr Professor Issing, ist das Phänomen „Surfer’s Ear“ auch in medizinischen Fachkreisen unter diesem Namen bekannt?

Prof. Issing: In Amerika ist das ein gängiger Begriff, in Deutschland wird hier mehr der Begriff Schwimmer-Ohr benutzt. Die Bezeichnung „Surfer’s Ear“ ist sicher auch zunehmend gebräuchlich, im Grunde gilt das aber für alle Menschen, die viel im Wasser sind: Schwimmer oder Taucher, das ist keine spezielle Angelegenheit, die nur Surfer betrifft.

Anscheinend verengt sich bei diesem Phänomen der Gehörgang. Können sie erklären, was da passiert und warum der Körper das macht?

Der genaue Mechanismus ist schwierig zu erklären, man weiß eigentlich nur, dass es passiert. Betroffen ist auch nur der Gehörgang. Es sind ja andere Knochen auch noch im Wasser und die verändern sich nach meiner Kenntnis nicht, zum Beispiel das Schienbein. Es ist in der Tat so, dass Menschen, die viel im Wasser sind, betroffen sind. Offensichtlich spielt dabei die Temperatur eine gewisse Rolle. Kaltes Wasser ist eher geeignet, so etwas hervorzurufen als warmes Wasser. Es passiert dabei folgendes: Im knöchernen Gehörgang – der äußere Gehörgang hat zwei Anteile, einen äußeren knorpeligen und einen inneren knöchernen – bildet der innere Anteil dabei sogenannte Exostosen. Das sind kleine Knochenwucherungen, kugelförmige Auswüchse des Knochens, völlig gutartig und im Prinzip völlig harmlos. Aber – wenn diese eine bestimmte Ausprägung haben, dann verengen sie den Gehörgang. Wasser kann aus dem Gehörgang nach dem Baden oder Surfen weniger leicht entweichen. Dies kann häufigere Gehörgangsentzündungen auslösen.

Gibt es Erfahrungen, ob man eine gewisse Zahl von Jahren intensiv mit Wasser in Kontakt gewesen sein muss, damit es zur Bildung der Exostosen kommt?

Das kann ich quantitativ nicht genau beantworten im Sinne, dass man so und so viele Jahre eine bestimmte Anzahl Stunden im Wasser gewesen sein muss, oder dass man eine bestimmte „Wasserdosis“ festlegen könnte. Aber es ist mit Sicherheit etwas, das über Jahre entsteht. Nicht kurzfristig. Wenn man eine Woche im Urlaub surft, ist es sicher unproblematisch. Wenn man das oft macht, wie wenn man als Schwimmer täglich stundenlang im Wasser ist, kann es sich aber entwickeln.

Unter Wassersportlern hört man Klagen häufig in der Generation 35 plus. Entspricht das ihrer Erfahrung, dass es in dem Alter erst los geht?

Ja, wir haben ganz selten ganz junge Leute, keine 18-Jährigen. Die betrifft das in der Regel nicht.

Haben sie eine Empfehlung, wie man sich am besten schützt?

Ich würde Stöpsel verwenden. Denn wenn man annimmt, dass die Kälte des Wassers eine Rolle spielt, dann helfen wasserabweisende Mittel gegen die Temperatur wenig bis nichts. Man sollte seinen Gehörgang mechanisch davor schützen, dass kaltes Wasser überhaupt eindringt.

Alternative Empfehlungen bezüglich Öl und anderem sind einer anderen Sache geschuldet, die mit den Exostosen direkt nicht unbedingt zu tun hat. Das kann ihnen auch im warmen Wasser passieren, nämlich eine Gehörgangsentzündung. Im Wasser haben sie immer Keime, auch daheim in der Dusche (z. B. Pseudomonas aeruginosa). Wenn die Haut dem Wasser länger ausgesetzt ist, wird sie spröde und büßt ihre Schutzfunktion ein Stück weit ein; Keime können so leichter eindringen. Die Empfehlung, die Haut zu pflegen, mit Ölen oder ähnlichem, zielt genau darauf ab, eine externe Gehörgangsentzündung zu verhindern.

Welche Rolle spielt dabei das „Surfer’s Ear“?

Wenn sie jetzt bereits Exostosen haben, also diese Verengungen, dann haben sie sicherlich ein etwas höheres Risiko, so eine Gehörgangsentzündung zu entwickeln, weil das Wasser schlechter rausgeht. Manche raten auch, das Ohr trocken zu fönen. Diese Keime lieben Feuchtigkeit und wenn man das Ohr trocken hält, ist das Risiko geringer.

Mittel zur Gehörgangspflege wären zum Beispiel „Vaxol“, da ist ein medizinisches Olivenöl drin. Oder „Otodolor soft“. Das ist ein Präparat auf Glycerinbasis – als Tropfen, die man in den Gehörgang träufeln kann. Salben sind eher nicht zu empfehlen, da das Einbringen problematisch sein kann: Mit Wattestäbchen manipulieren sie beispielsweise ohne visuelle Kontrolle, die Haut im Gehörgang wird zusätzlich gereizt und sie leisten der Ausbildung einer Gehörgangsentzündung noch Vorschub. Es bilden sich kleine Risse, über die Bakterien eintreten. Noch ein praktischer Tipp: Der Gehörgang – der knöcherne und knorpelige – ist im Übergang nicht ganz gerade. Wenn man die Ohrmuschel nach hinten oben zieht, dann gleicht man diesen Knick etwas aus und das Wasser, das eventuell im Ohr ist, kann leichter raus.

Wenn die Exostosen schon da sind, was macht man dann?

Exostosen kündigen sich oft mit Gehörgangsentzündungen an oder auch mit einer Hörminderung, wenn das Ohr sich nicht mehr selbst von Ohrenschmalz reinigt.

Als Behandlung ist nur die operative Entfernung möglich. Eigentlich ist das ein unproblematischer Vorgang. Die Exostosen werden dabei weggebohrt. Das Problem ist allerdings, dass alles sehr eng ist und man im Gehörgang die extrem dünne Haut über den Erhebungen lösen muss. Dann höhlen sie diese „Berge“ aus und tragen diese ab, in der Absicht, die Haut zu erhalten. Das ist wichtig, weil es sonst hinterher zu narbigen Veränderungen kommen kann. Die möchte man natürlich nicht haben. Die Haut wird benutzt, um den frei liegenden Knochen am Ende wieder präzise zu bedecken. Da muss der Operateur darauf achten, ansonsten ist das kein Aufsehen erregender Eingriff.


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