Zieht euch warm an! Aber nicht zu sehr. Beim Stand-up-Paddeln läuft der Körper oft heiß, auch wenn das Wasser eiskalt ist. Ein Bekleidungs-Dilemma. Gelöst von SUP-Profi Peter Bartl.
"Ich weiß nicht, was ich anziehen soll!" Diese Floskel wird ja gerne den Frauen untergejubelt. Doch auch Stand-up-Paddler stehen mitunter vor diesem Dilemma. Oft spreche ich mit Personen, die aufgrund von mangelnder Bekleidung nur eine Paddelsaison von wenigen Wochen haben. Das ist schade, denn gerade im Herbst und Frühjahr kann eine Paddeltour die schwindenden Lebensgeister schlagartig zurückbringen und uns ein unvergessliches Abenteuer bescheren.
Bei Diskussionen in diversen Foren ist häufig der verwendete Neoprenanzug entweder "das Beste, was ich jemals getestet habe", oder bei jemand anderem "absolut ungeeignet fürs Stand-up-Paddeln". Und beide Parteien haben irgendwie recht. So vielseitig der SUP-Sport ist, so unterschiedlich sind auch die passenden Kleidungsstücke. Wer im kalten Wildwasser paddelt oder in großen Wellen surft, braucht eine andere Ausstattung als der Freizeit-Paddler auf dem See oder der Wettkampfathlet im Rennen.
Dabei gibt es Bereiche, die sich teils überschneiden, so kann ich zum Beispiel bei einer unwirtlichen Paddeltour, bei der ich mit großer Wahrscheinlichkeit öfters mit dem kalten Nass Bekanntschaft mache, entweder auf einen Trockenanzug oder einen Neoprenanzug zurückgreifen. Nicht selten wird eine bestimmte Bekleidung, die im einen Moment optimal geeignet ist, bei sich ändernden Bedingungen zum Alptraum. Jeder, der früh am Tag bei kalten Temperaturen zum Start eines Wettkampfs auf einen Trockenanzug gesetzt hat und dann bei steigenden Temperaturen in der eigenen Soße brutzelt, weiß, was ein Hitzekoller ist.
Andererseits haben wir auch ganz klar getrennte Bereiche, wo sich eine Diskussion über geeignetes Material wenig bis gar nicht stellt. So sind eng anliegende Neoprenanzüge beim Wellensurfen die beste Wahl, während bei einem Wintertraining auf flachem Wasser mit dem Raceboard ein atmungsaktiver Trockenanzug seine Qualitäten ausspielt. Ganz tückisch wird das Spiel in Revieren mit sommerlicher Lufttemperatur, aber kaltem Wasser unter zehn Grad, da ist Vorsicht geboten.
Paddeln bei kalten Temperaturen kann lebensgefährlich sein!
Es sollte aber klar sein, dass das Leben an sich "lebensgefährlich" ist und mit dem Tod endet. Trotzdem ist es aus meiner Sicht kostbar und sollte nicht riskiert werden. Als Anfänger bist du bezüglich einer geeigneten Bekleidungswahl heillos überfordert, halte dich an erfahrene Paddler, die schon seit vielen Jahren ihre Erfahrungen weitergeben.
Was verwende ich wann? Die Lösung!
Eine einheitliche Lösung gibt es leider nicht, und dies macht den Ansatz für eine geeignete Bekleidung noch diffiziler. Ein untrainierter Anfänger braucht bei einer Luft- und Wassertemperatur unter 18 Grad eine adäquate Kälteausrüstung in Form von mindestens einem ärmellosen Neoprenanzug oder ähnlichem. Ein erfahrener Hobbypaddler in einem SUP-Wettkampf bei 15 Grad Wasser- und Lufttemperatur wird dagegen nur auf eine Boardshort und das Wettkampflycra setzen, um bei einem Durchschnittspuls über 160 Schlägen pro Minute nicht zu überhitzen. Bei einer Paddelsession auf den Kanaren steckte meine Tochter Laura (15) im 4/3mm-Neopren, während ich mit Short und Lycra gepaddelt bin, und wir hatten beide die für uns am besten geeignete Ausrüstung. Laura war öfters im Wasser, ich habe dies tunlichst vermieden. Wir hatten beide eines gemeinsam, nämlich den Spaß auf dem Wasser.
PROFITIPPS
1. In der kalten Jahreszeit (Oktober bis März in Österreich, Deutschland) trainiere ich fast ausschließlich mit atmungsaktiven Trockenanzügen und integrierten Füßlingen. Gerade an den Füßen kühlt man am stärksten aus. Je weniger Wasserkontakt man hat, desto effektiver wirkt sich ein Trockenanzug aus. An kalten Tagen im Sommer ist der Trockenanzug auch oft eine sehr gute Variante, speziell auf Bergseen und im Wildwasser.
2. Wenn ich viel Zeit im Wasser verbringe, wie zum Beispiel beim Flusssurfen oder Surfen in der Welle, verwende ich Neoprenanzüge. Neopren hat eine sehr gute Isolierung und man kann sich mit einem hochwertigen Neoprenanzug ohne Probleme auch in eiskaltem Wasser mehrere Minuten bis Stunden aufhalten. Ein Neoprenanzug ist gut fürs Schwimmen geeignet, ein Trockenanzug ist alleine schon aufgrund seiner Form kein Schwimmanzug.
3. Verwende im Winter Neoprenschuhe, die du eine bis drei Nummern größer wählst. Du kannst Neoprensocken darunter anziehen und du brauchst etwas Freiraum bei den Zehen, was dich besser warm hält.
4. Neoprenhauben verwende ich nur bei sehr wahrscheinlichem Wasserkontakt. Im normalen Training sind Neohauben meist viel zu warm. Ich kann Beanies und Hauben aus dem Langlauf- oder Laufbereich empfehlen, welche bei einem ungewollten Sturz wenig Wasser aufsaugen.
5. Sonnenschutz ist unerlässlich, wenn man auf längeren Touren unterwegs ist. Ein langärmeliges Lycra und eine Kappe schützen sehr gut gegen Sonnenbrand. Die Wirkung der UV-Strahlung ist auf dem Wasser durch die Reflexionen besonders stark und tückisch.
Grundausrüstung für Hobbypaddler in Mitteleuropa
• Short, Lycra oder ähnliches, ab 50 Euro • Atmungsaktiver Trockenanzug, ab 500 Euro • Alternativ Neoprenanzug, ab 250 Euro • Hohe Neoprenschuhe, ab 35 Euro • Laufbekleidung unter dem Trockenanzug, • Pant und Shirt, ab 30 Euro • Neoprentops oder Shorty für Sommer bzw. Kanarenurlaube, ab 40 Euro